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Emojis für Dein Trinkgeld. Schlechter Stil oder unverschämt?

Zahlungsterminal bewerten jetzt dein Trinkgeld mit Emojis. Ich finde das unverschämt. Nudging aus der Höllle.
Emojis für Dein Trinkgeld. Schlechter Stil oder unverschämt?
Foto: Zahlungterminal bewertet Dein Trinkgeld mit Emojis. Nudging aus der Hölle finde ich

Dinge entwickeln sich. Im Free Now App ist es mir vor einigen Jahren aufgefallen. Plötzlich konnte man per Auswahl dem Fahrer 5 %, 10 % oder 15 % Trinkgeld geben.

Ich fand diese Trinkgeld-Voreinstellung als Kunde gut. Das ging schnell, gerade bei Taxi Fahrten. Man muss sich keinen Kopf machen. Die meisten Taxifahrten in Hamburg liegen für mich bei ca. 15 bis 25 Euro. Also hab ich 10 % Trinkgeld eingestellt. Und für die schnellen Fahrten, Hop on, Hop off, war somit alles geregelt.

Diese Vorauswahl-Technik des Trinkgelds auf Zahlungsterminals wurde bekannter. Erste Untersuchungen zeigten, dass das Trinkgeld durch diese Einstellung stieg. Das machte andere Anbieter aufmerksam. Wenn man Kartenzahlung-Dienstleistungen verkaufen will, ist einem der zahlende Endverbraucher egal. Ihm entstehen keine zusätzlichen Kosten. Der Kunde ist der Gastronom, der Kaufmann. Sie benutzen die Terminals, entscheiden, ob diese gut oder schlecht sind. Mittlerweile biete nahezu alle Terminal-Anbieter diese Vorauswahl-Optionen für Trinkgeld an. Bei einigen kann man sie gar nicht abstellen.

Wir stellten unsere Terminals in 2023  auf Lighspeed Payment um. Auch hier war jetzt eine Trinkgeld-Auswahl bei Zahlung am Terminal möglich. Wir stellten für die Schnellwahl 10 % und 15 % sowie “Kein Trinkgeld” und  “anderer Betrag” ein  

Wenn ich selber im Service arbeite, nehm ich die Nutzung der Felder nicht wirklich wahr. Wenn Gäste zahlen wollen, präsentiere ich die Rechnung. Und in der Regel sagen die Gäste dann “machen Sie xxx” und runden auf. Den genannten Betrag gibt man direkt ins Kassensystem ein und damit überspringt das Gerät die angebotenen Trinkgeldfelder und zeigt den Betrag, für den der Gast sich entschieden hat. 

Interessanterweise sagt mein Team, dass die Trinkgeld-Vorauswahl-Felder von Gästen häufiger genutzt werden. Ich überlege, woran das liegt. Spreche ich anders mit den Gästen? Präsentiere ich die Rechnung anders? Keine Ahnung. Bei mir werden die Felder nahezu nicht genutzt. Aber Team-Feedback und auch der allgemeine Tenor in der Gastronomie suggerieren mir: Finden alle gut. Wird viel genutzt.

Aber das “finden alle Gut” ändert sich aktuell. Dinge entwickeln sich. Zuerst fiel mir die unangenehme Nutzung dieser Felder wieder im Free now App auf. Plötzlich stehen da 10 %, 15 % oder 20 % Trinkgeld. Freie Wahl nicht mehr möglich. 

Ehrlich gestanden fand ich vor einiger Zeit auch überraschend, die 20 %-Option auf unseren eigenen Zahlungsterminals zu sehen. Ich fragte das Team, wer das eingestellt hat und warum?  “Ja, wir dachten …” “Nein!” Ich ließ die neue Option wieder löschen. 

Dabei geht es gar nicht darum, dass man, wenn man mit dem Service zufrieden ist, nicht auch 20 % Trinkgeld geben kann. Oder mehr. Das machen Gäste durchaus. Aber das darauf “Anstupsen” missfällt mir. Wenn jemand sehr zufrieden war, wird er das in der Regel sagen. Dieses per Button einfordern, missfällt mir, insbesondere bei solchen Beträgen, denn Rechnungen in gehobener Gastronomie, können schnell viele hundert Euro betragen. Da sind 20 % dann eine ganz andere ”Hausnummer” als bei einer 15 Euro Taxifahrt. 

Aber es wird noch schlimmer. Dinge entwickeln sich. 

Vor kurzen war ich in einem Restaurant essen, siehe hierzu auch das Bild zum Text. Da ist mir aufgefallen, dass wir jetzt mit dieser Technik ein wirklich unangenehmes Level erreicht haben. Meiner Meinung nach ein geschäftsschädigendes. 

Im genannten Restaurant hat man die Wahl zwischen gar keinem, 10 %, 15 % und 20 % Trinkgeld und die Optionen sind zusätzlich mit Emojis versehen. Mein Problem damit: 10 % – ein in meinen Augen großzügiges Trinkgeld – sind mit einem neutralen, fast traurigen Emoji hinterlegt, das, bis auf die Farbe, kaum von dem grauen traurigen Emoji bei keinem Trinkgeld zu unterscheiden ist. 15 % ziert ein Lächeln und 20 % einen lachenden Smiley.

Ich finde, das ist eine Entwicklung, die man als Unternehmer überdenken sollte. Ich freue mich, wenn mein Team aufgrund einer sehr guten Leistung, sehr gutes Trinkgeld von unseren Gästen erhält und nicht aufgrund kleiner psychologischen Ticks am Zahlungsterminal.

Ich empfinde diese Entwicklung als geschäftsschädigend, nicht nur für den Unternehmer/ das Unternehmen, sondern mittel- und langfristig auch fürs Team. Denn Gäste fühlen sich nachvollziehbarerweise genötigt, empfinden die Bewertung als übertrieben oder unverschämt, das Trinkgeld sinkt und das Image des Geschäfts gleich mit. 

Kleiner Side Fact bei solchen Trinkgeldgestaltungen am Terminal (mit und ohne Emoji): Trinkgeld muss freiwillig sein, um als steuerfrei zu gelten. Wenn bei Kontrollen die Einschätzung entstehen könnte, der Faktor Freiwilligkeit ist eingeschränkt, besteht zusätzlich zum Unmut der Gäste noch das Risiko auf Verlust der Steuerfreiheit.

Dinge entwickeln sich, aber nicht automatisch zum Besseren. Daher gilt: Entwicklungen von Zeit zu Zeit infrage zu stellen und zu korrigieren.

Meine Meinung: Trinkgeld ist eine großzügige Geste des Gastes und sollte auf toller Leistung und Gastfreundschaft beruhen. Die Abrechnung des Trinkgelds einfach und transparent zu machen, ist gut. Mit Tricks mehr Trinkgeld generieren zu wollen, ist eine Entwicklung, die ich nicht gut finde.