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Arbeitgeberfreundliche Arbeitsverträge: sie helfen, ein guter Arbeitgeber zu sein. Und verhindern Bußgelder #Nachweisgesetz

Arbeitgeberfreundliche Arbeitsverträge: sie helfen, ein guter Arbeitgeber zu sein. Und verhindern Bußgelder #Nachweisgesetz

In 2022 haben wir die Kröte geschluckt. Zeit und Geld in unsere Arbeitsverträge unseres gastronomischen Barbetriebes investiert. Wir hatten davor schon ausführliche Arbeitsverträge. Dachten wir. Ca. 7 Seiten. In einer Branche, in der zu dieser Zeit oft noch ganz ohne Vertrag gearbeitet wurde.

Aber im August 2022 traten die Neuerungen des Nachweisgesetzes in Deutschland in Kraft. Und wer seit dem als Arbeitgeber ohne, bzw. mit “alten” Verträgen die den Anforderungen des neuen Gesetzes nicht statt halten, arbeitet, dem drohen bis zu 2000,00 Euro Bußgeld. Pro Arbeitsverhältnis. 

Also haben wir uns anwaltlich beraten lassen. Und die Gunst der Stunde genutzt und unsere Arbeitsverträge arbeitgeberfreundlich gestaltet. Und ich bin nach nunmehr zwei Jahren “Praxis” der festen Überzeugung, dass solche arbeitgeberfreundlichen Arbeitsverträge und Regelungen eine Grundvoraussetzung dafür sind, ein attraktiver Arbeitgeber zu sein und Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen zu gewinnen und zu halten. 

Denn: Genaue und klar formulierte Regelungen sind für Arbeitnehmer und Arbeitgeber ein Gewinn. Grundsätzlich, und das ist in vielen Fällen gut so, ist die Rechtsprechung in Deutschland stets arbeitnehmerfreundlich. Daher ist es wichtig, komplexe Regelungen wie u. a. Nachtarbeit, Urlaub, Überstunden und Zuschläge für jeden genau und verständlich zu definieren. Ansonsten wird das immer zu Ungunsten des Arbeitgebers ausgelegt. 

Darüber hinaus ist es wichtig, den Arbeitsvertrag gegenüber den Ansprüchen Dritter, wie z. B. den Sozialkassen, mit genauen Formulierungen abzusichern. 

Also: Wenn du ein guter Arbeitgeber sein willst: Mach gute, transparente Arbeitsverträge. Und wenn du schon dabei bist: mach diese Verträge arbeitgeberfreundlich.

Aber vorweg, weil wichtig, ein Haftungsausschluss:

Ich bin weder Rechtsanwalt noch Steuerberater. Lediglich Unternehmer. Wer Rechtssicherheit oder aktuelle steuerliche und fachliche Beratung wünscht, möge eben einen Rechtsanwalt oder eine Steuerberaterin kontaktieren. Ich übernehme keine Haftung für den Inhalt dieser Informationen.  

Das Nachweisgesetz (NachweisG)

Seit dem 01.08.2022 ist die überarbeitete Version des Nachweisgesetzes in Kraft. Es regelt, dass für alle Angestellten, auch Aushilfen, sehr viele Bestandteile des Arbeitsverhältnisses genau und schriftlich fixiert sein müssen. 

Ab dem 01.08.2022 müssen gemäß § 2 NachwG n.F. zusätzlich unter anderem folgende Regelungsinhalte schriftlich festgehalten und dem Arbeitnehmer ausgehändigt werden:

  1. der Name und die Anschrift der Vertragsparteien,
  2. der Zeitpunkt des Beginns des Arbeitsverhältnisses,
  3. bei befristeten Arbeitsverhältnissen: das Enddatum oder die vorhersehbare Dauer des Arbeitsverhältnisses,
  4. der Arbeitsort oder, falls der Arbeitnehmer nicht nur an einem bestimmten Arbeitsort tätig sein soll, ein Hinweis darauf, daß der Arbeitnehmer an verschiedenen Orten beschäftigt werden oder seinen Arbeitsort frei wählen kann,
  5. eine kurze Charakterisierung oder Beschreibung der vom Arbeitnehmer zu leistenden Tätigkeit,
  6. sofern vereinbart, die Dauer der Probezeit,
  7. die Zusammensetzung und die Höhe des Arbeitsentgelts einschließlich der Vergütung von Überstunden, der Zuschläge, der Zulagen, Prämien und Sonderzahlungen sowie anderer Bestandteile des Arbeitsentgelts, die jeweils getrennt anzugeben sind, und deren Fälligkeit sowie die Art der Auszahlung,
  8. die vereinbarte Arbeitszeit, vereinbarte Ruhepausen und Ruhezeiten sowie bei vereinbarter Schichtarbeit das Schichtsystem, der Schichtrhythmus und Voraussetzungen für Schichtänderungen,
  9. bei Arbeit auf Abruf nach § 12 des Teilzeit- und Befristungsgesetzes:
    1. die Vereinbarung, dass der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung entsprechend dem Arbeitsanfall zu erbringen hat,
    2. die Zahl der mindestens zu vergütenden Stunden,
    3. der Zeitrahmen, bestimmt durch Referenztage und Referenzstunden, der für die Erbringung der Arbeitsleistung festgelegt ist, und
    4. die Frist, innerhalb derer der Arbeitgeber die Lage der Arbeitszeit im Voraus mitzuteilen hat,
  10. sofern vereinbart, die Möglichkeit der Anordnung von Überstunden und deren Voraussetzungen,
  11. die Dauer des jährlichen Erholungsurlaubs
  12. ein etwaiger Anspruch auf vom Arbeitgeber bereitgestellte Fortbildung,
  13. wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer eine betriebliche Altersversorgung über einen Versorgungsträger zusagt, der Name und die Anschrift dieses Versorgungsträgers; die Nachweispflicht entfällt, wenn der Versorgungsträger zu dieser Information verpflichtet ist,
  14. das bei der Kündigung des Arbeitsverhältnisses von Arbeitgeber und Arbeitnehmer einzuhaltende Verfahren, mindestens das Schriftformerfordernis und die Fristen für die Kündigung des Arbeitsverhältnisses, sowie die Frist zur Erhebung einer Kündigungsschutzklage; § 7 des Kündigungsschutzgesetzes ist auch bei einem nicht ordnungsgemäßen Nachweis der Frist zur Erhebung einer Kündigungsschutzklage anzuwenden,
  15. ein in allgemeiner Form gehaltener Hinweis auf die auf das Arbeitsverhältnis anwendbaren Tarifverträge, Betriebs- oder Dienstvereinbarungen sowie Regelungen paritätisch besetzter Kommissionen, die auf der Grundlage kirchlichen Rechts Arbeitsbedingungen für den Bereich kirchlicher Arbeitgeber festlegen.

(Nicht vollständige Aufzählung. Es gibt weitere Regelungen für Praktikanten, Auslandsentsendung etc.)

Nach einigen Gesprächen mit Kollegen und Kolleginnen, sind viele Arbeitsverträge in der Gastronomie, insbesondere bei den Punkten Vergütung, Zuschläge, Arbeitszeiten, Ruhepausen, Voraussetzungen für Überstunden, Arbeiten auf Abruf sehr ungenau formuliert. Und seit dem 01.08.2022 besteht hier dringender Handlungsbedarf.  

Artikel 15 ist für Bars ebenfalls interessant. Wer (trotz des meiner Meinung nach “Versagens” während der Pandemie Zeit) immer noch als Arbeitgeber Mitglied im DeHoGa ist, muss darauf hinweisen. Sollte der Arbeitnehmer Mitglied der NGG (Gewerkschaft) sein, gilt somit automatisch der Tarifvertrag.

Für alle Arbeitsverhältnisse, die seit dem 01.08.2022 geschlossen werden, müssen ein Teil dieser Regelungen zwingen zum ersten Arbeitstags unterschrieben sein. Alle weiteren Bestandteile sind dann bis spätestens zum  7. Tag bzw. spätestens 30. Tag nach Arbeitsbeginn schriftlich vorzulegen. 

Bei älteren Verträgen, die bereits vor dem 01.08.2022 bestanden, muss der Arbeitgeber auf Anfrage des Arbeitnehmers die Formulierungen innerhalb von 7 Tagen schriftlich aushändigen. Wenn ich also als Arbeitnehmer mit älterem Arbeitsvertrag schlechte Laune in Bezug auf meinen Arbeitgeber hätte, würde ich diese Regelungen schriftlich anfragen und ihn damit ins Schwitzen bringen. Daher solltest du als Arbeitgeber auch hier vorsorglich handeln. Wir haben auch alle alten Arbeitsverträge erneuert.

Die Punkte zum Nachweisgesetzes sind hier verkürzt dargestellt. Es soll dir verdeutlichen, dass seit 2022 von dieser Seite Handlungsbedarf für deine Arbeitsverträge besteht. Und zwar Bußgeldpflichtig. Bis zu 2000,00 Euro pro Vertrag. Und um dir hier den Handlungsbedarf noch einmal schmackhafter zu machen: Bußgelder sind keine Betriebskosten. Die zahlst du als Inhaber privat aus bereits versteuertem Geld. Bzw. wenn der Betrieb sie zahlt, darfst du die Zahlungen wie Einkommen noch mit Steuern und Sozialabgaben versehen, sprich “versteuern”.

Bei detaillierten Fragen zum Gesetz empfehle ich Kontakt zur IHK, die bieten meist einen Überblick, oder besser gleich anwaltliche Beratung.  

Arbeitgeberfreundliche Arbeitsverträge

Ein arbeitgeberfreundlicher Arbeitsvertrag erlaubt natürlich, um nicht missverstanden zu werden, keine Beugung des Arbeitsschutzes. Meine Erfahrung ist hier nur, dass sehr spezielle Regelungen an die Arbeitszeit, Nachtarbeit, Überstunden etc. eine sehr genaue Regelung bedürfen. Wenn du als Betrieb deine Wünsche und Vorgaben im Rahmen der Gesetze nicht genau und klar formulieren kannst, geht es im Streitfall immer für den Arbeitnehmer. 

Viel wichtiger ist hier aber die Vorwegnahm des Streitfalles. Wer sauber, klar und genau definiert, hat keine Streitfälle und die damit verbundenen Opportunitätskosten und den Zeitaufwand zu befürchten. Daher scheint mir bereits bei kleinen Betrieben, mit wenigen Mitarbeitenden, ein Investment in eine Beratung sinnvoll. 

Wir sind dazu übergegangen, die arbeitsrechtlichen Regelungen in drei Elemente auszuformulieren:

  1. Der eigentliche Anstellungsvertrag, der alle rechtlichen Anforderungen erfüllt.  “So kurz wie möglich”.  Wird den Mitarbeitenden vor Vertragsbeginn zu Verfügungen gestellt, besprochen und vorab unterschrieben. Behandelte Themen:

§ 1 Tätigkeit, Beginn des Arbeitsverhältnisses, Arbeitsort

§ 2 Vertragsdauer, Probezeit 

§ 3 Beendigung des Arbeitsverhältnisses, Kündigung, Freistellung, Verfahren bei Kündigung (Klagefrist)

§ 4 Vergütung, Zuschläge, Gratifikationen

§ 5 Arbeitszeit, Mehrarbeit/Überstunden, Freizeitausgleich, Kurzarbeit

§ 6 Urlaub

§ 7 Fortbildungen, Betriebliche Altersvorsorge, anwendbare Tarifverträge, Betriebsvereinbarungen

§ 8 Schlussbestimmungen, Form, Salvatorische Klausel, Bestätigung

  1. Auslagerung aller weiteren Regelungen, in ein getrenntes Dokument “Ergänzender Regelungen zum Arbeitsvertrag”.  Wird den Mitarbeitenden vor Vertragsbeginn zu Verfügungen gestellt, besprochen und vorab unterschrieben. Behandelte Themen:

1. Gehaltsabtretung und –pfändung, Verrechnung

2. Arbeitszeitkonto

3. Arbeitsverhinderung, Erkrankung, Kur, Entgeltfortzahlung

4. Aufwendungen für Dienstreisen, Reisezeiten 

5. Nebenbeschäftigung

6. Aufrechnung

7. Vertraulichkeitsverpflichtung / Verschwiegenheitspflicht

8. Wettbewerbsverbot, Mitarbeiterschutzklausel

9. Vertragsstrafe

10. Datengeheimnis, Verwendung von arbeitsbezogenen Gegenständen; Herausgabe von überlassenen Gegenständen / Eigentum des Arbeitgebers; Zurückbehaltungsrecht

11. Hardware, Software, Email- und Internetnutzung

12. Erfindungen, Rechteübertragung, Arbeitsergebnisse

13. Dokumentationspflichten

14. Ausschluss- /Verfallsfristen

15. Änderung Privatanschrift oder Kontoverbindung

16. Schlussbestimmungen, Form, Salvatorische Klausel


  1. Im Laufe des Arbeitsverhältnisses erstellen wir Zusatzvereinbarung, bzw. “erklärende Dokumente”, wenn spezielle Themen bzw. Bereiche des Arbeitsverhältnisses  (Urlaubsregelung, Pausenregelungen, Krankmeldung etc.) neu oder erweitert definiert werden.

Wenn man sich ernsthaft in die bestehenden Themen reindenkt, fallen einem immer wieder Punkte auf, die für unsere Mitarbeitenden genauer erklärt sein könnten, um Missverständnisse vorzubeugen. Dies ist ein steter Prozess, den wir kontinuierlich verbessern und noch lange nicht da sind, wo wir sein möchten. Beispiel: Unser Arbeitsvertrag sieht 20+4 Urlaubstage für Festangestellte in der 5 Tage Woche vor (bei 170 Stunden pro Monat). Wie viel Urlaubstage gelten hier bei 4, 3 oder 2 Tage Woche? Wie viel Tage Urlaub sind dann nötig, um eine Woche “frei zu machen”? Wie funktioniert das mit den steuerfreien Nachtzuschlägen bei Urlaubstagen? Welche Durchschnittswerte werden gezahlt etc. In der Regel: Fragen über Fragen. 

Gerade die speziellen Arbeitsbedingungen in der Gastronomie hilft viel Transparenz und Erklärung, um sicherzustellen, dass beide Seiten verstehen, wie das gehandhabt wird. Das bedeutet für dich als Arbeitgeber: weniger Nachfragen, weniger Unzufriedenheit, keine gerichtlichen Streitfälle. 

Ebenfalls sehr wichtig: Wenn du deine Arbeitsverträge arbeitgeberfreundlich gestalten willst, darfst die Dritte nicht vergessen, die, bei ungenauer Gestaltung, Ansprüche geben dich haben, bzw. Zahlungen verweigern können.

Beispiel: 

In den  “Ergänzender Regelungen zum Arbeitsvertrag” haben wir unter 

3. Arbeitsverhinderung, Erkrankung, Kur, Entgeltfortzahlung 

folgende Formulierung im Vertrag:

(5) Der Anspruch auf Entgeltfortzahlung nach § 616 BGB wird ausgeschlossen. Die Arbeitnehmerin wird auf § 45 SGB V (Pflegetagegeld) hingewiesen. Eine Vergütungsfortzahlung erfolgt jedoch bei persönlicher Verhinderung des Arbeitnehmers an der Arbeitsleistung in folgenden, abschließend geregelten Ausnahmefällen:
a… b… c… 

Hintergrund: Arbeitgeber zahlen bei diversenVerhinderung des Arbeitnehmers den Lohn weiter. Z.B.  Bei tragischen Todesfällen in der engeren Familie. Aber wenn man als Arbeitgeber zum Beispiel nicht korrekt § 616 BGB ausschließt, zahlt der Arbeitgeber unerwartet auch den Anspruch bei gesetzlich Versicherten Arbeitnehmern mit bis zu 90% Entgeltfortzahlung auf Rückfrage der Krankenkasse bei KITA Schließungen.

Soll heißen: Im Normalfall zahlen die Krankenkasse bis zu 10 oder mehr Tage, mit 90% das Entgelt für den Arbeitgeber im Falle einer KITA Schließung weiter. Aber viele Krankenkassen fragen jetzt nach, wie die Arbeitsverträge gestaltet sind. Ist §161 nicht korrekt, mit den rechtskräftigen Ausnahmen, ausgeschlossen, muss der Arbeitgeber statt die Krankenkasse zahlen. Vermeidbare Kosten.

Also: Schütz dein Unternehmen vor Bußgeldern und Streitigkeiten. Mache umfangreiche und arbeitgeberfreundliche Arbeitsverträge. Investiere hier in gute Rechtsberatung durch Profis (ich bin keiner). Und verabschiede dich von “Ein Arbeitsvertrag für alle Ewigkeit”. Die Anforderungen sind deutlich höher geworden. 

Wichtiger: Nur mit guten Arbeitsverträgen und viel transparenten und nachvollziehbaren Regelungen wirst du zufriedene Mitarbeitende lange halten können. 

Hier habe ich unsere detaillierten Entwürfe zu den Anstellungsverträgen (ca. 5 Seiten)  und den ergänzenden Regelungen (ca. 9 Seiten), die wir in unsere Bar nutzen, als Denkanstoß für dein Gespräch mit der Rechtsberatung veröffentlicht. 

Trag dich auf dem Newsletter ein. Ich werde in Zukunft noch weitere Punkte wie Urlaubsregelungen oder z.B. unsere Nachtarbeitsregelungen hier diskutieren.

Was sind deine Lösungen und Herausforderungen bei gastronomischen Arbeitsverträgen und Regelungen mit dem Team? Schreib mir eine Email. Freue mich auf Anregungen und Feedback. 

Link: https://www.7cl-business.de/arbeitnehmer_freundliche_arbeitsvertraege_fuer_die_gastronomie/

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