Augusto Top 4 Bars in Tokio + zwei Bonus Tips
Augusto Calandruccio, Barkeeper im Löwen, war in Tokio. Für viele Wochen. Als Arbeitgeber war das für uns kein Problem, solange sowas früh genug planbar ist. Augusto hat einen Teil seines Urlaubs genommen. Der Rest war dann unbezahlter Urlaub. Das bedeutet, dass Augusto mit den Sozialkassen klärt, dass er in dieser Zeit weiterhin versichert ist. Und dann ist er nach Tokio geflogen. Und hat u. a. einen Freund des Le Lion besucht: Hidetsuego Ueno, Bar High Five. Ueno hat ihm viele Einblicke in die japanische Barkultur gegeben. Und Kontakte in die Stadt.
Augusto kam begeistert wieder. So eine längere Auszeit, mit Wissensvermittlung, ist ein Booster für die Arbeit hinter der Bar. Persönlich sowieso. International Arbeiten ist ein großer Bonus unseres in Teilen doch auch anstrengenden Berufes.
Lange schon leitet ein ehemaliger Bartender des Le Lion, Philip Bischoff, den BANGKOK SOCIAL CLUB im Four Seasons Bangkok. Vormals leitete er die Manhattan Bar in Singapur. Bars und große Hotelgruppen, gerade in Asien, suchen händeringend Barmitarbeiter aus Europa. Wenn die Arbeit in Europa langweilig ist: Asien sucht dich.
Ich habe Augusto gebeten, mir seine Bar Tipps für Tokio aufzuschreiben. Falls es jemand also in der kommenden Zeit nach Tokio schlägt, hier ein paar Bar Tipps jenseits des Massentourismus. Falls jemand in Japan arbeiten möchte, stelle ich gerne den Kontakt zu Augusto für Erfahrungsaustausch her.
Augusto Calandruccio: Meine Top 4 Bars in Japan und zwei Bonus Tips :
FOLKLORE
ein deep dive in die Welt Japanischer Sake und Shochu Cocktails. Die Herangehensweise, traditionelle Spirituosen mit moderner Cocktailkunst zu vereinen, hat mich mit jedem Besuch und jedem Drink aufs Neue verblüfft. Das Ambiente ist sehr beruhigend und angenehm. Japanische Hölzer, warmes, gedimmtes Licht, ein großer, langer Tresen. Der Service ist exzellent, sehr aufmerksam, fachkundig, mit der richtigen Distanz zum Gast und trotzdem herzlich. Ein Wohlfühltempel zum Abschalten und Genießen.
Mein Go-To Drink: Petal Paloma.
The SG Club
SG steht für sip & guzzle: nippen & saufen. Es gibt insgesamt 3 Ebenen. Im Erdgeschoss werden süffige Cocktails in lockerer, belebter Atmosphäre kredenzt und ge“guzzled“. Vor alle am Wochenende steppt hier der Bär. Im Untergeschoss findet sich das durch Western Saloons inspirierte „Sip“ – Schluck für Schluck gibt es hier raffinierte, kräftigere signature drinks in einer dunkleren, geheimnisvollen Atmosphäre. Schließlich findet sich abgegrenzt vom Rest der Bar im Obergeschoss die Zigarrenlounge mit einer Auswahl an Zigarren und passenden Cocktails. Die 4-Sitzer-Bar und die einzelnen Séparées sind perfekt, wenn es etwas ruhiger und diskreter zugehen soll. Das gesamte Team ist erstklassig eingespielt und für jeden Spaß zu haben. Eine Bar, in der man neue Freunde macht.
Mein Go-To Drink: Okinawa Fashioned.
Jazz SPOT Intro
an diesen Ort habe ich mein Herz vergeben. Hier geht es um alles, nur nicht um fancy Drinks. In einem kleinen, langgezogenen Kellerräumchen im Herzen von Shinjuku reihen sich den ganzen Abend über Musiker mit ihren Instrumenten vor der schweren Tür der Bar, bis sie vom Barbetreiber, dem Host der täglichen Jamsessions, Gruppe für Gruppe zum Jammen eingelassen werden. Eng an eng darf man als Gast den Musizierenden beiwohnen. So eng, dass wir uns beim ersten Besuch zunächst einfach zwischen die Stühle auf den Boden gesetzt haben. Die Stimmung, die dort auf kleinstem Raum entsteht, ist unbeschreiblich. Es gibt einfache Highballs, Bier, Sake und Co. Der erste Drink kostet 1000yen (etwa 6€), alle weiteren 500 yen (3€). Die Musik? Unbezahlbar.
Mein Go-To Drink: Whisky Highball.
Bar High Five
eine klassische japanische Bar, und gleichzeitig doch nicht typisch japanisch. Das High Five, in dem ich unter Führung von Barbetreiber Ueno San und der Barcheffin Kaori San für 7 Wochen lernen durfte, liegt ganz unscheinbar im Untergeschoss eines der unzähligen Hochhäuser des teuersten Stadtteils in Japan: Ginza. Neben den hunderten weiteren versteckten Bars des Distrikts ist das High Five dennoch eine der Bekanntesten. Geehrt vom Japanischen Kaiser höchst persönlich unter anderem für seine internationale Bildungsarbeit als Japanischer Barmeister und regelmäßig gesehen in den Listungen der weltbesten Bars, ist es kein Wunder, dass vor allem Touristen das High Five aufsuchen. Ein massiver, dunkler Holztresen teilt den Raum in zwei Hälften: Gastseite, mit 12 Barhockern und 5 kleinen extra Tischen, und Arbeitsbereich, mitsamt dem schätzungsweise über 500 Flaschen schweren Rückbuffets und einer Whisky Auswahl, die Ihresgleichen sucht. Es gibt 22 Sitzplätze. 22 Gäste, die teilweise von bis zu 8 Barleuten betreut werden. Und das ist notwendig, denn es gibt keine Cocktail Karte. Der Fokus des Konzepts liegt auf fachkundiger Beratung und individuell für jeden Gast maßgefertigten Cocktails; Zeit und Fürsorge am Gast wird hier besonders großgeschrieben; es gibt stetig neues Wasser und Snacks. Natürlich können auch Klassiker, sowie so genannte fresh fruit cocktails bestellt werden. Letztere sind eine Kombination aus frischen Früchten höchster Qualität, einer passenden Spirituose und ggfs. Süße/Säure zum Anpassen der Balance. Extrem lecker. Auffällig und eher untypisch für japanische Bars ist das multilinguale Personal, was dem internationalen Publikum sehr entgegenkommt und einen Service in vielen Sprachen ermöglicht. Für die Cocktails sind einzig und allein Kaori San und bei erhöhtem Arbeitsaufkommen Ueno San verantwortlich. Sie sind die einzigen, welche die Kunst des Cocktail Handwerks im High Five seit über 15 Jahren gemeinsam bis zur Perfektion ausgefeilt haben. Ihnen bei der Arbeit zuzuschauen ist nicht nur ein atemberaubendes, ja fast schon hypnotisierendes Ereignis, sondern auch die beste Schule für jeden Bartender, dem es an Präzision, Fokus, Kreativität und Schnelligkeit liegt.
Mein Go-To Drink: Bamboo von Kaori San.
BONUS TIPP, die Erste – Jazz BIGBOY
ein japanisches Jazz Kissa (übersetzt Jazz Café) inmitten des für die vielen Buchläden bekannten Distrikts Jimbocho. Wenn ich könnte, würde ich jeden Tag hierherkommen, um tief in Kaffee und bester Jazzmusik einzutauchen. Betrieben wird es von einem Ehepaar, welches sich sehr fürsorglich um seine Gäste und eine exzellente Musikauswahl kümmert. Eine riesige Kollektion an Vinyl und CDs garantiert unendliche Musikneuentdeckungen, welche über ein High Fidelity Sound System die Ohren und Seele liebkosen. Damit das auch so funktioniert, ist das oberstes Gebot in vielen klassischen Jazz Kissas: Wenn Musik läuft, wird möglichst nicht geredet. Was zählt, ist der volle musikalische Genuss. Die meisten kommen alleine. Das funktioniert auch am besten. Mein Geheimtipp für ein wahres Juwel.
Mein Go-To Drink: der Pour Over Kaffee.
BONUS TIPP, die Zweite – Ramen Matsutomi
eine von Ueno Sans Empfehlungen während des Praktikums, als meine Kollegen und ich ihn fragten, wo wir denn nach der Arbeit gut Gyōza essen könnten. Gut ist bescheiden. Es sind die besten Gyōza, die ich jemals gegessen habe. Mehr local spot geht nicht, denn das Restaurant versteckt sich zwischen den tiefen Häuserschluchten Ginzas zugänglich durch einen schmalen Durchgang hinein in eine dunkle Gasse. Neben den Gyōza empfehle ich die Shumai, den rohen Weißkohl mit Sesam sowie die köstlichen Ramen und Tsukemen, eine Art, bei der die Brühe à part vom Rest serviert wird und die Nudeln vor dem Essen kurz in diese eingetaucht werden. Fun fact: Schlürfst du die Nudeln, zeigst du dem Koch, dass es dir schmeckt. Ergo, schlürfe, was das Zeug hält! Es ist kein Wunder, dass es über die 7 Wochen mein Lieblings-Feierabend Restaurant war, geöffnet ist nämlich an fast allen Tagen bis um 4 Uhr. Gott, was würde ich für so etwas in Hamburg geben.
Mein Go-To Drink: das eiskalte Yebisu vom Fass.