Dein Kiez und deine Straße
“Neue Bänke, fette Polster” dachte ich mir gestern Morgen, als ich bei ELBGOLD in der Schauenburgerstraße einen Filterkaffee holte. Ritual, morgens in der Arbeits-Nachbarschaft. Meist kurz nach 9.00 Uhr, bevor der Tag im Büro startet.
Normalerweise “to go”. Gestern, die Sonne schien, dachte ich mir, ich weihe die neuen Bänke vor der Tür ein. Die Bauarbeiten rund um Rathausquartier in der Schauenburger Straße sind bald abgeschlossen. Anders als in der Rathausstraße entsteht hier eine Fußgängerzone. Elf große Bänke von der Stadt lagen noch auf Kopf. In Kürze werden diese aufgestellt. In der kleinen Johannesstraße, auch neuerdings Micro Fußgängerzone, herrscht schon reges Treiben. Bei gutem Wetter sind Straße und Bänke voll.
Ich sinniere und denke: Das Geschäft für das Elbgold wird sich komplett ändern. Ich glaube, zum Positiven. Gut, der eine oder andere Stammgast aus der ruhigen Zeit wird meckern, wenn er jetzt wegen mehr Kunden länger in der Schlange stehen muss. Aber ich bin Unternehmer, mich freut sowas.
Location, Location, Location sind die drei wichtigsten Kriterien für Gastronomen. Nur: Locations verändern sich. Und dein Kiez.
Mal sind es kleine Veränderungen mit großer Wirkung: Ein neuer Nachbar mit sensiblen Geräuschempfinden kann dir dein Geschäft oder auch deine Außengastronomie komplett zerschießen.
In deiner Nachbarschaft eröffnet eine andere Gastronomie und zieht ganz andere Gäste an, verändert das Gefühl für die Ecke.
Der Klassiker: Baustellen und Sanierungen in Nebengebäuden haben schon viele Gastronomen in ungeplant und lange Schwierigkeiten gebracht.
Oder die Stadt entfernt alle Parkplätze vor deiner Tür und die Liefersituation wird zur zeitaufwendigen Katastrophe. Zumindest wenn man nicht nur mit Lastenrad, sondern mit LKW und Paletten beliefert werden möchte.
Die Situationen sind vielfältig. Du kannst sie nicht planen.
Anders als vielleicht deinen Kiez, in dem du dich etablieren willst. Hamburg hat Kieze. Deswegen wollte ich unbedingt in die Innenstadt. Um keinem Kiez mental anzugehören. Ich wollte kein Eppendorfer, Winterhuder oder Eimsbütteler Laden sein. Nicht, weil ich die Kieze nicht mag. Aber, weil es in jedem Kiez gleich klischeehafte Vorurteile in den Köpfen gibt.
Der Anfang ist wichtig. Frage beim Gewerbeamt nach Akteneinsicht, was die vorherige Gastronomie betrifft. Gibt es viele Beschwerden? Sind hier schon schwierige Nachbarn erkennbar?
Prüfe die Nachbarschaft. Sind Umbauten geplant? Soll deine Straße entwickelt werden?
Viel wichtiger ist natürlich dein Kiez. Denn er färbt auf dein Konzept ab, lässt deine Gäste deinen Laden schon vorab einordnen, obwohl sie noch nie bei dir waren.
Aber dann, wenn du alle Entscheidungen gefällt und losgelegt hast, beginnt der Wettlauf. Du musst stärker werden, als dein Umfeld. Du musst auf Veränderungen reagieren, dich anpassen, das Konzept ändern. Du weißt nicht, wie sich deine Nachbarschaft entwickeln wird oder welche Probleme und Veränderungen aufkommen.
Zu denken, dass du für zehn plus Jahre einen Mietvertrag unterschreibst, und alles bleibt so, wie es ist, ist naiv. Zumindest in der Großstadt. Das meiste, was von außen auf dich zukommt, kannst du weder steuern noch verändern. Also musst du was draus machen. Etwas Gutes!
Aber wer weiß. Vielleicht hast du ja auch Glück. Vielleicht betreibst du einen erstklassigen Coffeeshop in einer versteckten Nebenstraße. Und diese wird plötzlich zur charmanten Micro Fußgängerzone. Das hört sich nach Business an. Würde ich dir gönnen!