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Die Entwicklungen und Herausforderungen einer 4 Tage Woche in der Gastronomie

Die 4-Tage-Woche in der Gastronomie ist mittlerweile weit verbreitet. Allerdings muss man genau hinschauen, was darunter in der Gastronomie verstanden wird.
Die Entwicklungen und Herausforderungen einer 4 Tage Woche in der Gastronomie

Eine 4 Tage Woche wird aktuell oft in Stellenanzeigen für gastronomische Berufe angeboten. Das ist gut. Und ich glaube, dass vier Arbeitstage pro Woche auch eine sehr gute Lösung für die anstrengenden Arbeitsfelder Küche, Bar und Service sind.

Allerdings: Wenn in der Gastronomie von einer 4 Tage Woche gesprochen wird, unterscheidet sich das von der Idee, die Arbeitnehmer aus Gastronomie fernen Berufen darunter haben. Die in der öffentlichen Wahrnehmung angedachte Idee einer 4 Tage Woche bedeutet: Statt vormals im normalen “9 to 5” Job 5 Tage arbeiten, arbeitet man jetzt vier Tage. Bei gleichem Gehalt. 32 Arbeitsstunden statt 40. Was, wenn man auf Stundenbasis sein Gehalt erhält, einer 20 prozentigen Gehaltserhöhung gleicht.

Sicherlich: Wer die großen Themen der New Work Denkbewegung ansprechen will, wird jetzt argumentieren: Ja, aber gute Arbeit wird nicht nach Stunden bewertet. Es kommt auf das Erfüllen der Ziele an, der KPI’s! Ist doch egal in welcher Zeit. Wir zahlen für das Ziel ein Gehalt. Egal wie viel Stunden. Und Studien haben bewiesen, dass Mitarbeitende die gleichen Ergebnisse in 32 Stunden wie 40 Stunden schaffen. Schöne neue Welt. 

Gastronomie ist anders. Es muss jemand während der Öffnungszeiten DA sein. Die Arbeitsleistung ist unter anderem die Anwesenheit. Ob man es dann in der Zeit gut oder schlecht macht, ist noch eine andere Frage. Aber, die Menschen, die in der Gastronomie für Umsatz sorgen, Küche, Service und Bar, müssen anwesend sein. 

Gastronomie, zumindest im Kern, da wo der Umsatz am Point of Sale gemacht wird, bedeutet Stunden Business. Natürlich gibt es auch eine ganze Menge anderer Tätigkeitsfelder in der Gastronomie, die eventuell nicht “am Gast” arbeiten. 

Im Grunde genommen unterliegt jeder Arbeitsvertrag, jenseits des gehobenen Managements, in Deutschland einem Stundenlohn. Auch wenn dieser nicht im Vertrag erwähnt wird. Ergibt sich der Brutto Stundenlohn recht einfach aus dem vereinbarten Bruttogehalt, geteilt durch die vereinbarte Stundenzahl.

Und jede Überstunde muss, wenn nicht ausgeglichen, mit diesem rechnerischen Stundenlohn vergütet werden. Wenn man in Hamburg, Stadt der Agenturen, eine Bar betreibt, ist man immer wieder verwundert, wie viele Youngster “Kreative” sich da weiterhin ausbeuten lassen. Und nicht ihre Überstunden einfordern. Undenkbar in der Gastronomie.

Im Gastgewerbe ist schon lange eine sehr genaue Stundenerfassung der Mitarbeitenden vorgeschrieben. Für alle anderen Arbeitgeber gelten die neuen Regelungen zur Arbeitszeiterfassung ab 2023. Also: Eigentlich jetzt überall Pflicht.

Eine Besonderheit der Gastronomie sind die oft gezahlten Nacht- und Feiertagszuschläge.

Gastronomie braucht einen Stundenlohn. Denn auf dessen Basis werden die steuerfreien Nacht- und Feiertagszuschläge netto zusätzlich zum Gehalt gezahlt. 25% bis 40% zusätzlich steuerfrei sind Nachts die Regel. In Bars ein bedeutender Teil des Gehaltes.

Ich kenne keinen Gastronomiebetrieb, der beim General-Wechsel von 5 auf 4 Tage Woche, vor ein, zwei Jahren diese Umstellung mit 20% weniger Stunden bei gleichem Monatsgehalt durchgezogen hat. 

Die Realität war bzw. ist eine andere. Die Gehälter sind über die letzten Jahre im Gastronomiebereich glücklicherweise im Schnitt gestiegen. Viele Betriebe, die heute eine 4 Tage Woche anbieten, bieten ihren Mitarbeitenden damit eine 36 Stunden Woche an. Mit den aktuellen Stundensätzen. Bzw. haben bei Umstellung eventuell das Gehalt um bis zu ca. 10% angehoben. Um die vier fehlenden Wochenstunden auszugleichen.

Das bedeutet: die Mitarbeitenden arbeiten jetzt 4 Tage die Woche, geplant 9 Stunden am Tag. 

Das gelingt mit einem legalen „Trick“, denn die deutschen Arbeitsschutzgesetze machen die Dienstplangestaltung nunmehr sehr schwierig. 

Zitat „Die werktägliche Arbeitszeit der Arbeitnehmer darf acht Stunden nicht überschreiten. Sie kann auf bis zu zehn Stunden nur verlängert werden, wenn innerhalb von sechs Kalendermonaten oder innerhalb von 24 Wochen im Durchschnitt acht Stunden werktäglich nicht überschritten werden.“

Wer also regelmäßig 9 Stunden pro Tag arbeiten soll, kann dies legal durch Ausgleichstage. Soll bedeuten: 7 Wochen Tage = 4 Arbeitstage a max 10 Stunden, 1 freier Ausgleichstag, 2 Tage frei. Durchschnittsanforderung auf 24 Wochen somit erfüllt.

Aber: 9 geplante Stunden pro Tag machen die benötigte Flexibilität in der Gastronomie noch schwieriger zu gestalten. Es wird unerwartet voll, unerwartetes Geschäft, mehr Stunden sind nötig. Aber es gibt nur noch eine Stunde Puffer. Denn nach 10 Arbeitsstunden muss der Arbeitstag enden. 

Selbstverständlich arbeiten viele Gastronomiebetriebe gerade im Bereich der Festanstellung mit Zeitkonten. Das bedeutet, die Mitarbeiter bekommen immer ihre vertraglich vereinbarte Stundenzahl pro Monat als Gehalt überwiesen. Wenn der Mitarbeiter zu wenig Stunden arbeitet, endet das Konto im Monat im Minus und man muss diese nacharbeiten. Bei Überstunden zusätzliche Freitage

Allerdings lassen fixierte 9 Arbeitsstunden pro Tag nur wenig Spielraum für Stunden, die nachgearbeitet werden müssen, um Unterstunden abzubauen. Also: Wenn es ruhiges Geschäft wird, z.B: im Sommer und Unterstunden anfallen, können diese nur schwer abgearbeitet werden. Es sei denn, mit einem fünften Arbeitstag in der Woche. Immer den Blick auf den 24 Wochen Durchschnitt. 

32 vertragliche Wochenarbeitsstunden statt 36 würden diese Planung und die Pflege von Stundenkonten vereinfachen. 32 Wochenarbeitsstunden statt 36 oder 40 haben aber einen weiteren, sehr relevanten Nachteil. Die Mitarbeitenden erhalten bei 32 Wochenarbeitsstunden weniger Monatslohn. Denn Gastronomie ist Stunden Business und wird nach Stunden bezahlt. Außerdem bedeuten weniger Stunden “am Gast” für die meisten auch weniger Trinkgeld. In Summe: Weniger Geld - was bei der aktuellen Situation von deutlich gestiegenen Lebenshaltungskosten sehr schwierig ist.

Wie ist “unsere Realität”?

Aktuell haben die meisten unserer Arbeitsverträge noch 40 Stunden, einige wenige sind 32 Stunden oder weniger. Alle Mitarbeitenden haben die Möglichkeit, die Verträge auf weniger Stunden abzuschließen, wird aber nicht angenommen. Die Schichten gehen bis zu 10 Arbeitsstunden und wir sorgen regelmäßig für Ausgleichstage, sodass es 4 oder 5 Arbeitstage pro Woche gibt. Die Dienstpläne sind einige Wochen im voraus geschrieben. Und alle sind Zufrieden damit

Die Zukunft:

Als Unternehmer, mit Blick auf die teils unflexiblen Arbeitsschutzgesetze in Deutschland ist es sinnvoll 32 Stunden Verträge, statt 40 Stunden Verträge für unsere Art von Gastronomie abzuschließen. Damit kann man deutlich besser saisonal schwankendes Geschäft und Tagesspitzen abfedern.

Ebenfalls ist klar, dass weniger Stunden oft besser “am Gast” sind. Gastronomie ist ein hartes Geschäft. Viele hundert intensive Gastkontakte am Tag auf Dauer ermüdend. Ein Teil der Arbeitnehmenden ist selbstverständlich bei 32 Stunden Nachtgastronomie ausgeglichener als bei dauerhaft 40 und mehr. Ebenfalls merkt man, für mich erfreulich, den Wunsch nach anderen Arbeitsmodellen, gerade bei vielen jüngeren Arbeitnehmenden. Hier gibt es oft den Wunsch bzw. Konstrukt zwischen Hauptjob mit geringerer Stundenzahl, eventuell 520 Euro Job in ganz anderer Branche und Zeit für Hobby oder Side Hustle als nebenberufliche Selbstständigkeit. Das erfordert gute Abstimmung, ist aber auf jeden Fall für mich ein attraktives Modell. 

Wichtig ist für mich, dass der Arbeitnehmende den perfekten Mix genau definieren kann und das in unserer Welt planbar und umsetzbar ist. 

Für mich als Arbeitgeber sind 32 Stunden pro Woche, bzw. die 4-Tage Woche also gut.

Und, lucky us, der Mix aus Stundenlohn, plus steuerfreien Nachtzuschlägen ab 20.00 Uhr und einem gutem Trinkgeld Mix, macht den Job bei uns in der Nachtgastronomie auch als 32 Stunden / Woche Stelle attraktiv.

Aber, ich glaube da haben wir mit Großstadt, internationalem Publikum, gutem Trinkgeld und den verdienten monetären Vorteilen der Nachtarbeit einen unfairen Vorteil gegenüber einem großen Teil der Tagesgastronomie. Hier führen 32 Stunden und weniger oft zu einfach zu geringem Einkommen in Bezug auf die Lebenshaltungskosten. Damit bin ich dann plötzlich kein attraktiver Arbeitgeber mehr, sondern einfach nur jemand, der einen tollen Job anbietet, der sich aber nicht lohnt. 

Die Angebote zur 4 Tage Woche müssen für beide Seiten gut sein. Der Mix muss stimmen. In Großstädten, gerade in Bars, sehe ich das Modell, oder gar kürzere wie 3 Tage Woche, schon sehr häufig. Und auch in vielen Restaurants und Hotels ist das nunmehr üblich.

Wichtig ist, wenn man die 4 Tage Woche in Stellenanzeigen liest, das Gesamtpaket zu verstehen. Und die Attraktivität sind ja nicht nur die im Vertrag erwähnten Stunden. Sondern die Realität aus guter Dienstplan Gestaltung, wenig unerwarteten Überstunden, Sonderschichten und möglichst weit reichender Planbarkeit für die Arbeitnehmenden.  “4 Tage Woche” ist ein Schlagwort, der Gesamtmix die Realität eines attraktiven Arbeitsplatzes.

Ein Haftungsausschluss:

Ich bin weder Rechtsanwalt noch Steuerberater. Lediglich Unternehmer. Wer Rechtssicherheit oder aktuelle steuerliche und fachliche Beratung wünscht, möge eben einen Rechtsanwalt oder eine Steuerberaterin kontaktieren. Ich übernehme keine Haftung für den Inhalt dieser Informationen.  

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Weiterführende Links: Artikel des Landesinstitut für Arbeitsschutz und Arbeitsgestaltung Nordrhein-Westfalen zu bis zu 10 Arbeitsstunden an 4 Arbeitstagen.

https://www.komnet.nrw.de/_sitetools/dialog/43223