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2025, Dienstleistungs "Offensive"

Ein guter Morgen. Kein Zeitdruck. Der Kaffee hat geschmeckt. Alles läuft nach Plan. Mein Plan: bevor ich in den Löwen fahre, noch ein paar außergewöhnliche Zutaten besorgen. Ich will heute ein Tasting vorbereiten. Also bin ich zu einem unserer Fachgroßhändler gefahren. Die betreiben neben dem Lieferservice auch einen großen Abholmarkt. Aufwendig gestaltet, eine große Auswahl an Feinkost jeder Art, Wein und Spirituosen. 

Es war kurz vor 10:00 Uhr morgens, und ich betrat den Markt. Von außen war ich mir nicht ganz sicher, ob er bereits geöffnet war, denn die Parkplätze waren alle frei, und der Markt schien leer. Ich war froh, als die automatische Tür sich öffnete und mir damit signalisierte, dass ich nicht zu früh war. Ich war schon sehr lange nicht mehr in dem Markt, vor Ort, gewesen. Wir lassen uns in der Regel beliefern.  Aber so leer, kannte ich den Laden vor einem Wochenende eigentlich nicht.

Ich suchte meine Sachen zügig zusammen und ging Richtung Kasse. Ein paar Meter vor der Kasse fiel mir ein: hab ich eigentlich unsere Kundenkarte mit?

Da der Laden sowohl an Endverbraucher als auch an Gastronomen verkauft, muss man sich ausweisen, um die leicht rabattierten Gastronomie-Preise zu bekommen. Im Portmonee war die Karte nicht. Ich war halt auch lange nicht mehr da gewesen. Beim letzten Mal ging es aber auch mit Kundennummer und Personalausweis…

Also kramte ich im Handy rum. Suchte eine alte Rechnung mit Kundennummer. Meinen Personalausweis hatte ich mit.

Die Frau an der Kasse, zu der ich im menschenleeren Laden kurze schaute, so indirekte Kommunikations-mässig á la „geht gleich los“, wirkte erschreckend genervt.  Nur ein Gefühl. Nur eine Sekunde Blickkontakt. Sie spielte, es gab ja keine Kunden im Laden, am Handy. Aber der gesamte Körpereindruck war irgendwie Grund genervt. Am „Stress“ kann es nicht gelegen haben.

Ich fand eine alte Rechnung, ging auf die menschenleere Kasse zu und sagte, während ich meine Ware aufs Band legte „Pardon, ich hab meine Karte nicht mit, könnte ich…“

„Das geht nicht.“

„Verstehe. Also ich wollte nicht aufs Konto einkaufen, ich zahle auch gleich. Es geht mir nur um die Firmierung und…“

„Davon gehe ich mal aus, dass sie gleich zahlen - anders geht das sowieso hier ohne Karte nicht.“

Die Sätze in Kombination mit dieser absoluten bock losen Haltung und dem Verrat an der Dienstleistung Ehre im menschenleeren Raum tigerte mich. Ich werde selten laut, aber ich spürte Adrenalin aufstiegen und die Vorbereitungen liefen, um in den Kampfmodus zu wechseln

„Mir gehts um die Firmierung, da der Einkauf eventuelle über 250,- € ist. Falls das nicht anders geht, können sie auch den Gastro Rabatt weglassen. Kann ich ihnen unsere Kundennummer geben?“

Sie verdrehte die Augen. 

"Ruhig Joerg". 

Sie gab mir einen Blick. Stöhnte. Und ging in einen Glaskasten neben dem Kassenbereich, in dem drei andere Mitarbeiter waren. Die Tür war auf, es waren vielleicht zwei Meter. "…Ohne Karte“ hörte ich sie den Kollegen sagen. Die Kollegen verdrehten die Augen. Und stammelten untereinander „nervt … machen wir nicht mehr! Sag ihm eine absolute Ausnahme…“ und gaben mir Blicke. 

Ich dachte mir nur „äh Hallo? Ich sehe und höre Euch?“

Die Frau kam aus dem Glaskasten, guckte mich immer noch genervt an, „Das ist das letzte Mal. Beim nächsten Mal nur noch mit Karte…!!!!“

*click*

Ich hörte mich zum laut sagen: „Was ist hier eigentlich los?“ Blick auf den Kasten „Warum nerven euch Kunden hier denn so?“ Blick auf die Frau „Wenn sie keinen Bock auf ihren Job haben, dann machen sie doch was "Besseres", aber lassen ihren Frust nicht an mir aus.“

Es war ein wollig warmer Adrenalinschub. Ich hätte jetzt voll loslegen können. Hab es aber wieder kontrolliert bekommen. "Ruhig Joerg".

Dem Team Kasten und der Frau entglitt das Gesicht. Kurze Sekunde, ob man zurückfeuert. Dann die Entscheidung für Defense. „Nein, wir können das jetzt über ihr Kundenkonto abrechnen. Welche Firma ist das?“

„Danke nein. Ich brauche keine Firmierung und keinen Rabatt. Ich zahle so"

Gestammel. Aus den Kasten und der Kasse. "Missverständnis - Sorry - kein Problem".

„Nö“. Ich packe meine Sachen ein, bleibe freundlich. Verabschiede mich.

Im Miles schaue ich mir die Jahresauswertung an. Wir machen ca. 7500 € im Jahr da Umsatz. Ich denke, wir sind ein mikroskopisch kleiner Kunde. Aber jetzt nicht mehr, denke ich mir auch und fahre los.

Es ist 2025 - Ich glaube, zum Wohle aller, es ist nicht die Zeit, um einen Job zu machen, der dich nervt. Oder bocklos zu sein. War es natürlich nie.

Aber wer nicht will, der hat schon.