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Ein Bar kalibriert

Gäste bestellen wieder mehr Klassiker. Großartig. Eine gute Bar sollte Klassiker als Klassiker servieren. Sie dienen der Kalibrierung um Drinks Dschungel.
Ein Bar kalibriert
Manhattan Cocktail im Löwen

Zum Cocktail trinken geht man schon lange nicht mehr in die Bar. Espresso Martini gibt es in Eisdielen, Porn Star Martini im Restaurant, gute Cafés und Kneipen servieren solide Negronis. Vor einigen Jahren war das noch anders. Da hatte sich die Bar gerade wiederentdeckt. Und es ging darum, wieder “ordentliche” Cocktails zu machen. Die Manhattans wurden wieder mit Rye gemischt, der Gin Fizz wurde nicht mehr in Soda ertränkt, die Daiquiris kamen wieder ganz ohne Erdbeeren aus. Und wurden mit mehr gutem Rum statt Frozen serviert.

Cocktails definieren keine Bar mehr. Nicht weiter schlimm. Toll, dass es gute Drinks an vielen Plätzen gibt. Als Barbetreiber fragt man sich natürlich: Was definiert denn eine Bar?

Gut, das klingt erst einmal furchtbar Deutsch. Definitionsblatt “Bar” kommt gleich nach dem Antrag auf Neugründung des Dackelclubs. Darum geht es nicht. Man soll eröffnen, was man will! Es wird keine Bar Polizei kommen.

Aber wenn man seit mehr als +20 Jahren Bar macht, bemerkt man immer wieder den Stimmungswechsel. Und die Neuausrichtungen. Und seit einigen Jahren wird klar: Cocktails definieren keine Bar mehr. Also: eine gute Bar muss gute Drinks servieren. Aber nur weil man gute Drinks serviert, ist man noch lange keine Bar.  Die gibt es jetzt überall. 

Ich denke da seit einigen Monaten immer wieder darüber nach. Und natürlich habe ich eine Liste, was für mich eine gute Bar ausmacht. Darauf stehen viele kleine und große Dinge. Das ist natürlich meine Liste. Und das muss nicht jeder genauso sehen. Und sehr viel davon habe ich im Le Lion genauso umgesetzt.

Aber ich spüre eine Änderung. Das Gerede und Geschizzel über Drinks wird weniger. Gerade auch von Gästeseite. Gute Whiskey Sours knallen durch die Decke, Negronis werden immer mehr geordert, ein solider Pisco Sour wird zum Bestseller, sobald er einfach als Pisco Sour auf der Karte steht.

Vielleicht gibt es jetzt überall Drinks, aber auch viel Mittelmaß. Und Freunde guter Drinks brauchen gute Klassiker. In guten Bars, um sich zu kalibrieren. Denn es werden, trotz der vielleicht auf Social Media und in Fachmagazinen posaunten Drinks Kreativität eigentlich immer mehr Klassiker bestellt. Und gewollt. 

Natürlich freuen sich Stammgäste über eine gute Kreation Ihrer Lieblingsbartenderin. Aber, was mir sehr sehr gut gefällt, ist, dass die meisten Gäste wieder mehr Klassiker trinken. Und oft steht zwischen dem Wunsch nach einem guten Klassiker nur ein Bartender mit kreativem Ego statt Spaß an der Dienstleistung im Weg. Und dieser Typus Bartender ist so 2019. Will keiner mehr. Die Gäste haben, so meine Meinung, immer weniger Lust auf Kreativ-Ego, statt auf Dienstleistung. Kreativität: ja. Bei Klassikern: nein!

Wir haben auf jeden Fall nach und nach wieder mehr Klassiker auf die Karte genommen. Und werden das weiter ausbauen. Zwar mit Löwen Handschrift, also einem kleinen Kuss von guten Spirituosen und eventuell einem cl zu viel.  Aber gerne auch ohne einem Klassiker immer einen kreativen Twist aufzudrücken. 

Ich glaube, eine gute Bar serviert Klassiker, wie sie sein sollten. Abwandlungen natürlich vorhanden, Mandarine Negroni lässt grüßen. Aber wer ein Original will, bekommt ein Original.  Denn: In meiner Wahrnehmung wünschen sich Gäste wieder mehr Klassiker. So, wie sie sein sollten.

Und jetzt kommt ein weiterer Punkt auf meine Liste: Eine gute Bar dient zur Kalibrierung.