Fassgelagerte Mandarine Negronis
Nächste Woche ist Negroni Week. Die Idee ist einfach. Und genial. Denn es gibt meiner Meinung nach keinen Spirituosen-Event, der über Jahre einen so harten Impact hat, wie die Negroni Week. Initiiert von Campari, vor vielen Jahren. Background: Eine Woche im Jahr feiern Bars den Negroni Cocktail. Idee ist, dass die Bars neue Interpretationen eines Negronis "for the fun of it" kreieren und in der Woche verkaufen. Quasi: eine Woche auf Negroni komplett durchdrehen. Einen Teil der Erlöse spendet man für einen guten Zweck.
Vor ein paar Wochen kam Denis Stein auf mich zu. Vor einigen Jahren hat er zur Negroni Week den Mandarine Negroni kreiert. Seitdem ist er ein Besteller im Le Lion. Er fragte mich: “Ok, wenn ich einen Mandarine Negroni für die Negroni Week für ein paar Wochen im Fass reifen lasse? Und wir ihn dann Barrel Aged anbieten?” Ja, ok!
Ich bin gespannt, das nächste Woche probieren zu dürfen.
Dabei hat es mich an zwei Dinge erinnert.
Barrel Aged Negronis und Drinks waren mal ein großes Ding in der Bar. Ich habe 2010 und 2011 auch mal Fässer, Negroni und Padovani für unseren Tasting Room angelegt. Man sieht das heute eher selten. Der "Trend" war schnell auch wieder weg. Ehrlich gestanden, macht man am Anfang Fehler, muss lernen. Fassreife ist komplex. Gerade wenn man mit Likören, Zucker und vielen Zutaten arbeitet, also einfach “Cocktails” statt reine Spirituosen in Fässer gibt, verzeihen einem die Fässer in der Regel nicht. Und frische Fässer sind teuer. Man kann sie dann nur einmal benutzen. Das macht die Verwendung eigentlich zu aufwendig, teuer und wenig nachhaltig.
Fassmanagement und Fasssprache sind dennoch faszinierend. Fassreife ist die große Blackbox der Spirituosen Hersteller. Kritische Zungen behaupten: die Money Machine. Es ist das faszinierende Tool, was Spirituosen verwandelt. Fass, Zeit und Erfahrungen sind ein Millionen, oder auf dem Weltmarkt gerechnet Milliarden Business.
Ein Besuch vieler Whisky Destillerien in Kentucky und Umland vor vielen Jahren hat mir die Faszination von Holzfässern bei der Bourbon Produktion nahegebracht. Die großen Hersteller füllen viele Editionen und Marken ab. Aber eines ist ihnen in der Regel gemeinsam. Die sogenannte Mashbill. Das ist der Getreidemix, aus dem der Whisky hergestellt wird. In der Regel hat jedes Haus für ihren Bourbon eine Mashbill. Und es läuft alles über die gleiche Destillationsanlage. Das bedeutet: Das Produkt nach der Destillation ist für alle Marken und Editionen gleich. Und dann kommen sie in Fässer. Bei Bourbon noch frische, ausgebrannte Fässer, unterschiedlicher Größe.
Die unterschiedlichen Fässer mit dem gleichen Inhalt kommen in unterschiedlichen Ecken der hölzernen Warehouses. Und reifen unterschiedlich. Das Holz arbeitet. Über Jahre. Und du musst warten. Und die Erfahrung haben, welche Fässer, wo im Warehouse, wie reifen.
Das Haus Buffalo Trace hat verhältnismäßig viele Mash Bills für Ihre American Whisky.
Der normale Bourbon Getreide-Mix mit viel Mais bringt den Standard Buffalo Trace Bourbon hervor, für unter 25 Euro die Flasche. Das genauso Rezept aller Mashbills ist “geheim”. Aber aus gleichen Haus gibt es die Bourbon Mashbill mit etwas mehr Weizenanteil, Wheated Bourbon
Einige Fässer dieser Wheat Mashbill werden als W.L. Weller Special Reserve Abfüllung verkauft. Wer Glück hat, findet Flaschen unter 80 Euro in Deutschland. Die gleiche Mashbill aus anderen Fässern wird als E.H. Taylor Bourbon abgefüllt, in Deutschland aktuell bei etwas über 110 Euro .
Genau der gleiche Getreide-Mix, länger gelagert, in Fässern in ausgesuchter Lage, nennt sich Pappy van WInkle. Einer der meistgesuchten Bourbon. Die 10-jährige Flaschen kosten viele hundert Euro. Die 15, 20 oder 23 Jahre alte Abfüllung des gleichen Getreidemixes unter dem Namen Pappy van Winkle kosten dann 2000 bis 5000 Euro, oder mehr. Wenn du welchen findest. Solch ein Mark Up wird der fassgereifte Mandarine Negroni im Löwen nicht haben. Fairerweise hat er Wochen, nicht Jahre gereift. Und nicht im Warehouse in Kentucky, sondern im Back Office bei Kaies.
Und dennoch finde ich Fasssprache und Fass Management faszinierend. Zum einen, weil es da tolle Qualitätsunterschiede gibt. Aber als Kaufmann fasziniert mich der Black Box Effekt noch mehr. Der Mix aus Holz, Zeit, Erfahrung und einer ganzen Menge Storytelling.
–--
Mandarine Negroni, Dennis Stein, Le Lion • Bar de Paris
Der Mandarin Negroni
• im Rührglas auf Eis
• 30 ml Rutte Dutch Gin
• 30 ml Berto Bianco
• 20 ml Campari
• 10 ml Mandarine Napoléon
• stir, strain
• Tumbler, auf Eis
• no Garnish
Fasssprache Tasting Set von Wagemut:
https://wagemut.com/products/fasssprache-tasting-set
Fäßer haben wir gekauft bei:
https://www.faesser-shop.de/Wilhelm-Eder-Kueferei/Kleinfaesser