Gesucht: Facettenreiches Bild vom Bar-Business

Vor ein paar Tagen hörte ich einem langjährigen Bar-Betreiber in einem Gespräch zu. Er ist der kleinen Bar Blase erfolgreich. Über die Stadt hinaus bekannt. Seit vielen Jahrzehnten im Geschäft. Seine Aussage: Die Bar ist kein Business. Die Bar ist Kultur. Ein besonderer Platz jenseits der Geschäftigkeit. Es geht um die Choreografie der Nacht, die Liebe zum Individualismus, der besondere Platz für Menschen jenseits der großen Strömungen.
Mein Herz ging auf. Ich wollte "Ja! Ja! Ja!" schreien. So schön und „selbstlos“ ist die Idee. Scheiß aufs Geld! Es geht um mehr!
Aber, ich hatte einen Kloß im Hals. Die Schreie blieben aus.
Als Bar-Betreiber oder Betreiberin muss die Bar wirtschaftlich erfolgreich sein. Nur ist das keine Geschichte, die gerne erzählt wird.
Mit Umverteilung gewinnt man Wahlen. Mit Unternehmertum eher weniger. Und der Weg zum wirtschaftlichen Erfolg ist in Teilen unromantisch.
Man sollte das Bar-Business nicht verklären. Habe ich aber auch schon in Interview gemacht. Die Lifestyle-Falle ist so schwer. Und außerdem möchte man nicht als „jammernd“ eingeordnet werden.
Alle, die mit der Bar zu tun haben, und von ihr profitieren, wollen die emotionalen Geschichten der Bar erzählen. Bar „Kultur“. Drinks. Genuss. Fantastisches Team. Besondere Plätze. Kreativität. Selbstgemacht, sozialer Raum. Lifestyle.
Das sind die Themen, die Medien jeder Form gerne aufgreifen. Denn sie sind share- und likeable. Das sind die Themen, die die Spirituosenindustrie mit einem Budget bewirbt, weil sie Alkoholkonsum und ihre Plätze positive konnotieren.
Und auch als Betreiber muss ich die Leichtigkeit, den Lifestyle und das soziale ausstrahlen. Im Idealfall hast du es in dir. Aber machen wir uns nichts vor: Es gibt auch andere Seiten.
Gastronomie ist Penny Business. Die Nacht ist schön, und hart. Die Zeiten haben gerade, aufs Bar-Business bezogen, die Leichtigkeit verloren.
Reden solltest du nicht über diese Realität. Deine Bar lebt von guter Laune. Von der unterbewussten und bewussten Entscheidung, heute Abend doch noch kurz dort etwas trinken zu gehen.
Geschichten über gestiegene Kosten, Preisanpassungen, deutschen Bürokratie-Wahnsinn, Alkohol während der Arbeitszeit, anstrengende Gäste, betrunkene Gäste, zerstörte Toiletten, zu lange Schichten, kurzfristige Krankmeldungen und Diebstahl wollen Menschen zwar gerne hören.
Aber: bringen solche Geschichten Menschen in die Bar? Wird die Bar damit „erfolgreich“?
Und so lausche ich dem Gespräch. Bemerke, wie sehr das die Herzen der Zuhörenden berührt. Und denke mir: Er macht das sehr gut. Und, hatte er eh schon, mein Respekt für ihn wächst weiter.
Ich male mir hinter all den Geschichten den fehlenden Teil aus. Neben all den tollen Abenden, dem großartigen Team, den fantastischen Gästen, dem Spaß, dem Vergnügen halt auch die einsamen Nächte, der Streit, die Verzweiflung, die Rausschmisse, die Betrügereien, die Faulheit, der Ärger mit den Behörden und Ämtern.
Und ich frage mich, wie die Branche der „Lifestyle“ Falle entkommen kann.
Denn Gastronomie hat oft das Image eines „belanglosen“ niedrig Lohn Jobs. Ist es natürlich in Teilen schon lange nicht mehr.
Aber wir müssen mehr darüber reden, dass das ein Business ist. Und dass wir dort erfolgreich sein müssen. Und Geld verdienen müssen. Für gute Arbeitsplätze. Aber auch, viel wichtiger: Weil du selber ein extrem gutes Gehalt mit all den Risiken verdient hast. Und seinen wir ehrlich: Es dir doch schon länger nicht mehr zahlst.
Social Media, auf dem ich das gerade auch poste, erscheint als falscher Platz. Lifestyle und so. Aber irgendwo und irgendwie sollten wir mehr über das Bar-Business reden.
Denn das coole und oder selbstlose Bild, das alle gerne malen, ist nur ein kleiner Ausschnitt, des großen ganzen Bildes.
Das Bild ist schön. Aber facettenreicher als es besprochen wird. Nur: Wo sprechen wir denn mal über alle Facetten?