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Große Gruppe sind schlecht für kleine Bars. Der Gästemix

Große Gruppen bringen in kleinen Bars selten guten Umsatz oder gute Atmosphäre.
Große Gruppe sind schlecht für kleine Bars. Der Gästemix

Gastronomie unterscheidet sich maßgeblich von sehr vielen Unternehmungen. Denn, zumindest im gehobenen Konzept, kommen die Kunden zu einem und der Sinn des Business ist, Zeit dort zu verbringen. Dabei teilt man sich den Raum mit anderen Kunden. Also wir nennen sie Gäste.

Im Einzelhandel shoppte man vereinfacht durch, zahlt und geht. Es kann voll sein. Nerven. Andere Kunden können auch hier Einfluss haben. Aber eher gering. 

Im Online Business sind die anderen Kunden nicht existent. Man hat als Kunde seine Ruhe. Klar, der Shop muss unerwarteten Andrang aushalten. Ist aber meist deutlich einfacher und skalierbarer als unerwarteter Andrang auf ein Geschäft. Oder eben Gastronomie.

Zum Erlebnis in der Gastronomie gehört die Zeit, die ich dort in den Räumen verbringe. Räume strahlen die Atmosphäre aus. Aber viele Menschen in Räumen verändern die Atmosphäre. Sie sind Teil der Atmosphäre. Der Nebentisch kann sehr deutlich über dein Erlebnis entscheiden. Ganz ohne Zutun der Gastronomie! Es gab bestes Essen, gute Drinks und freundlichen Service,  und der andere Gast am Nebentisch kann deinen Abend versauen.

Daher muss jeder Gastronom, der Gäste nebeneinander platziert, selektieren. Er muss den Gästemix herstellen. Der zum Haus passt. Manchmal reicht es auch, die Ecken des Hauses unterschiedlich zu befüllen. 

Wir haben ein harte Türpolitik, die uns eigentlich keiner abnimmt: Jeder ist willkommen. Ich habe in +20 Jahren Großstadt Türpolitik in Bars und Fine Dining Restaurants viele Level von “Tür” bzw. Selektion durchgespielt. Und bin schon vor vielen Jahren zu der Erkenntnis gekommen, Gäste nach Aussehen oder Kleidung in wenigen Sekunden zu bewerten, oder sagen wir besser: einzuschätzen, geht meist nach hinten los. 

Nachtclubs, das Geschäfts mit visueller Begehrlichkeit und noch mehr “Gruppenzugehörigkeit” brauchen mehr dieser, vielleicht auch oberflächliche Kriterien. In einer Bar brauchen wir das nicht.

Das bedeutet nicht, dass alles erlaubt ist. Manchmal spürt man, “der macht eh nur Stress”, und wir sind leider gerade voll. Zu betrunken, zu aufgekratzt, zu “druff”. Alles, was die späte Nacht so an die Tür spült, wird, vornehmlich freundlich, verabschiedet. 

Aber ansonsten glaube ich daran, dass es besser ist, sich als Gastronom darüber Gedanken zu machen, welche baulichen Maßnahmen welche Atmosphäre erzeugen. Und welche Räume und Elemente welche Gäste anziehen. Für wen sind sie perfekt, für wen nicht? Deine Ausstattung, deine Kommunikation, dein Pricing, die Art und Weise, wie du die Drinks servierst, dein Mitarbeiter Mix: All das beeinflusst, welche Gäste sich bei dir wohlfühlen und welche nicht. Wer wird angesprochen, wer nicht.

Aber es geht nicht nur darum, welche Gäste kommen, sondern in welchem „Zusammenhang“ sie kommen. Die gleichen Gäste verhalten sich sehr unterschiedlich, wenn sie zu zweit in eine Bar kommen. Oder als Gruppe mit zehn oder mehr Gästen. 

Größere Gruppen, bei von +10 Gästen, sind für uns oft ein Problem. Sie verändern einen Laden komplett. Gerade, wenn der Laden pro Etage nur eine Maximalkapazität von 50 Personen hat. Folgende Erkenntnisse haben wir über Gruppen gewonnen:

  • Sie verändern die komplette Atmosphäre, es wird laut. Sie dominieren den Raum. Meist ist das für alle anderen Gäste unangenehm.
  • Alle Prozesse dauern bei großen Gruppen länger: Bestellungen, Garderobe, Kommunikation etc. 
  • Die Bar, also das Zubereiten der Drinks, kommt bei großen Bestellungen vom großen Tisch deutlich unter Druck. Und es gibt Verzögerungen. Es stockt.
  • Meist ist ein Teil der Gruppe unmotiviert. Wollte eigentlich nicht zu uns, sind genervt von dem Laden. Man ist halt mitgegangen.
  • Der Durchschnitts-Umsatz pro Gast ist bei großen Gruppen oft deutlich geringer als bei kleineren. Die Gäste verzehren langsamer und weniger.
  • Das Zahlen der Rechnung ist vornehmlich komplexer und aufwendiger. Bindet Mitarbeiter länger. Manchmal wird einfach alles zusammen gezahlt (danke) , oft Diskussionen wer was zahlt, Getränke bleiben über etc. 

Natürlich gibt es auch ganz charmante Gruppen. Aber +10 Personen und unsere kleine Bar sind kein guter Match.

Das Gruppen Reservierungen für unsere Bar nicht sinnvoll sind, ist uns schon lange bekannt. Daher konnte man z.B. nur für maximal 8 Personen online reservieren. Und das System hat diese 8er Gruppen-Reservierung nur einmal pro Zeiteinheit zugelassen. Und am Freitag und Samstag haben wir dann selbst diese 8er Gruppe nicht mehr buchbar gemacht.

Aber trotz der bestehenden Einschränkungen gab es in der Vergangenheit öfters Probleme. Insbesondere am Wochenende. Zum einen gab es „Anlass bezogene“ Gruppen, die eine eigene Agenda hatten. Geburtstagsfeiern, die sehr laut und ausladenden wurden. Unangemeldete Junggesellenabschiede mit mehr oder wenigen peinlichen Verkleidungen, die dann zwar reserviert hatten, aber wir an der Tür wieder "ausluden", weil sowas bei uns nicht möglich ist. Diskussionen, Ärger, Lebenszeitverschwendung. Zur Weihnachtszeit kommen dann irgendwelche Gruppen Wichtel Peinlichkeiten etc.

Man kann einen tollen Junggesellenabschied bei uns haben. Und sich zur Weihnachtszeit auch Geschenke überreichen. Das kann man stilvoll und cool für alle machen. Oder aber rücksichtslos. In großen Gruppen verliert der eine oder andere Gast, der unsere Bar sonst sehr schätzt, sein Gefühl für die Rücksichtnahme auf andere Gäste. Gruppen verändern Gäste. 

Daher haben wir eigentlich schon immer größere Gruppen, trotz des vermeintlichen Umsatzes, abgelehnt. Passt nicht zu unserem Gästemix. Die Stimmung und Idee der Gruppe passt nicht zur Stimmung und Idee, warum die anderen Gäste zu uns gekommen sind. 

Neuerdings wurde unser Reservierungssystem immer öfter "gehackt". Da wir gerade am Wochenende keine Gruppen Reservierungen mehr zugelassen haben, haben Junggesellenabschiede oder Geburtstagsfeiern einfach drei oder vier 4er Tische gebucht. Und dann, wenn sie im Laden waren, darum gebeten zusammen zu sitzen oder sind sonst einfach den ganzen Abend hin und her gelaufen und haben Chaos verbreitet.

Vermeidbarer Ärger. Auch aus diesem Grund nehmen wir z.B. jetzt gar keine Reservierungen mehr im Löwen an. Wir wollen an der Tür selektieren. Nicht nach Aussehen, Kleidung, Coolness oder sonst was. Aber z.B. nach Gruppengröße. Manchmal passt ne kleine Gruppe ganz gut. Aber meistens nicht. Mehr als 8 Personen wird schwierig. Und deine Feier oder dein Anlass ist nicht unbedingt unsere. Unser Anlass ist recht einfach: Gute Drinks in guten Bar Atmosphäre genießen. Der Gästemix ist Teil der Atmosphäre. Den musst du als Gastronom steuern und verteidigen.