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Ist Gastronomie zu teuer geworden?

Ist Gastronomie zu teuer geworden? Ja, viel schon. Wenn Preis und Leistung nicht mehr stimmen, ist man teuer. Gastronomen vergessen Ihren wichtigsten Partner: den Gast.
Ist Gastronomie zu teuer geworden?

“Ist Gastronomie zu teuer geworden?” Diese Frage lese ich aktuell häufiger in Artikeln oder sozialen Netzwerken. Wenn es nicht gerade von der Click Bait süchtigen Yellow Press provozierend geschrieben wird, wird diese Frage meist von Beratern, Verbänden, Dienstleistern oder anderen gestellt.

Tenor: “Nein - Gastronomie muss so teuer sein - man muss ja die erhöhten Kosten verstehen!”

Es folgt in der Regel eine Aufzählung eines Beispielgerichtes  (Schnitzel, Burger, Döner - irgendwas, was jeder kennt). Mit einer mehr oder weniger verallgemeinernden Kalkulation. Daran wird "erklärt", dass das Gericht jetzt teurer sein muss. Und das muss man auch an seine Gäste kommunizieren. Es folgen meist noch ein paar oberflächliche Ratschläge. Je nachdem, was der Dienstleister verkaufen will: Digitalisierung, eine Kalkulationsmethode, eine Zutat mit hohem Convenience Grad, die Personal spart.

Ehrliche, harte Antworten fehlen: Ja, viel Gastronomie ist gerade zu teuer. Mir zumindest.

Ich gehe viel aus. Essen, trinken. Primär in Hamburg. Und mir braucht nahezu niemand erklären, warum Dinge einen Preis in der Gastronomie haben. Ich kenne viele Hintergründe. Ich betreibe selbst Gastronomie. Habe explodierende Kosten, fehlende Margen, Monate mit Verlusten. Aber. Ich bin nicht nur Gastronom. Sondern auch Gast. Mit gastronomischem Hintergrundwissen. Und mir ist aktuell viel Gastronomie zu teuer. Das ist ein Gefühl. Wenn das Essen zu zweit plötzlich 50, 100 oder noch mehr Euro mehr kostet, oft in Kombination mit sinkendem Service Level, dann fällt mir das auf. 

Die vielen poshen Neueröffnungen in Hamburg, die mit Hauptgängen von 40, 50, 60 Euro und mehr starten. Kein brauchbarer Wein unter 100 Euro die Flasche angeboten wird und die Bar gleich mit Drinks ab 18.00+ Euro startet. Dann muss mir entweder vor Erlebnis die Kinnlade herunterklappen oder ich komme nicht mehr wieder. Weil es mir das nicht mehr wert ist. Da kann mir der Gastronom noch so sehr vorrechnen, warum das Essen zu zweit jetzt doch irgendwie 400 € gekostet haben muss. Möchte ich im Normalfall nicht ausgeben. Und um nicht missverstanden zu werden: Ich habe auch schon deutlich mehr zu zweit bezahlt und keinen Euro bereut.

Neue Läden, die mit solchen Preisen ins Rennen gehen, müssen entweder unglaublich beeindrucken, oder ich gehe nicht wieder hin. Viel Geld für „ganz gut“  ist nicht mehr angemessen. Und solche Neulinge haben ja noch keine Vertrauensbasis mit mir aufgebaut.

Das ist natürlich bei den Stammlokalen anders. Da kennt man sich, meistens über viele Jahre, und hat Vertrauen aufgebaut. Und akzeptiert auch Preiserhöhungen. Ganz ohne große Erklärungen und Kalkulationsbeispiele. Wir alle haben verstanden, dass uns die Kosten um die Ohren fliegen.

Was aber einige vergessen: Halt wirklich uns allen. Den Gästen ja auch. 

Vertraute Läden, mit vielen Stammgästen, haben aktuell weniger Probleme. Preiserhöhungen werden verstanden und akzeptiert. Bis zu einem unbewussten Punkt. Dann ist das Vertrauen verloren.

Wenn du plötzlich zu einem Lieblingsrestaurant kommst, alles 20% teurer ist, aber einige Punkte wie Preis, Leistung und insbesondere Service nicht mehr stimmen, bleibt ein schaler Geschmack. 

Ich habe auch bei mir in der Bar diverse Preise erhöht. Nicht alle, viel moderat. Einiges, was deutlich gestiegen ist, habe ich auch einfach ausgelistet. Ich müsste nach irgendeiner Logik Preise erhöhen, will das aber um Teufel komm raus vermeiden. Erhöhung ist ja nicht immer der einzige Schritt. Es gibt viel guten Gin, Whisky, Rum. Man kann auch Drinks und Konzepte justieren, sich Mühe geben, neue Qualitäten suchen, ohne an der Qualität zu sparen, und mit anderen Ideen gleiches Vergnügen zum guten Preis anbieten. Es spricht nichts gegen Preiserhöhung, aber vergiss deinen wichtigsten Geschäftspartner dabei nicht: Deinen Gast.

Ich und meine Frau gehen nach wie vor viel aus. Viel von den „neuen“ „angesagten“ Läden hat uns aktuell in Hamburg nicht abgeholt. Das ist mir zu teuer.  Klingt schlimm, oder? Wirkt man ja kleingeistig. Ist aber so. Zu wenig Value for Money. Wir bleiben neugierig, sind aber kritischer.

Unsere Stammlokale machen uns Spaß. Die meisten. Wo erhöhte Preise zu guter Leistung passen. Einige haben wir nach zwei, drei teuren Abenden, die  sich irgendwie nicht mehr so wie früher angefühlt haben, ausgetauscht. Wir haben in der Kategorie neu gesucht, eventuell etwas Günstigeres gefunden, was in der Kategorie zu uns passt.

Wenn du mich fragst: Vieles ist aktuell teurer geworden. Natürlich auch Gastronomie. Ich bin da pragmatisch. Wenn es nicht mehr passt, sich nicht mehr gut anfühlt, suche ich mir was anderes. Ausgehen und Geld ausgeben tue ich trotzdem. Den Herzensläden, die mir das Gefühl geben, ich bin ihnen wichtig, gilt lange meine Treue. 

Mache dir als Gastronom nichts vor. Auch die meisten deiner Gäste haben gestiegene Kosten. Das bedeutet nicht, dass sie nicht mehr ausgehen. Sie gehen aber vielleicht einmal weniger im Monat aus. Oder suchen sich etwas, was gleiches Vergnügen für weniger Geld bietet. Herzensläden oder solche, die einmalige Erlebnisse sind und ihr Geld wert sind, werden weiterhin besucht.

Am Ende des Tages verkaufen wir eine besondere Zeit. Und ein gutes Gefühl. So hart wie es ist: Niemand möchte dein Gejammer hören. Oder deine Offenlegung der Kalkulation lesen. Wenn Preis und Leistung stimmen, wird der Gast weiterhin kommen. Wichtig: Preise müssen eventuell erhöht werden. Aber die Leistung darf dabei nicht vergessen werden. Das gehört zusammen. Sonst ist man teuer.

Der Gast ist dein wichtigster Verbündeter in diesen schwierigen Zeiten. Er hat Leistung verdient.