Kann man Gastgeber/in sein lernen?
Heute wurde ich in einem Interview gefragt: Kann man Gastgeber sein lernen? Oder auch Gastfreundschaft?
Vor einiger Zeit hätte ich eventuelle noch gesagt: Nein. Du hast es. Oder du hast es nicht. Mittlerweile denke ich da anders: Ja, das kann man lernen.
Besser noch: Wer in der Gastronomie arbeitet oder welche betreibt, ist sogar in der Pflicht, das zu lernen. bzw. dafür Sorge zu tragen, dass das erlernbar ist.
Bei dem Thema „Gastgeber sein“, stellt sich jeder etwas anderes unter einem gutem Gastgeber vor. Privat hat das viele Facetten. Und auch im Gastgewerbe ist das eine große Range.
Es werden sogar Preise vergeben: Gastgeber/in des Jahres. Ich finde, das hat manchmal ein Geschmäckle. Das ist in der Vorstellung oft eine exzentrische Person, die auffällt. Und sich besonders um Gäste kümmert. In der Realität besagt das manchmal aber auch, dass man sich um eine bestimmte Art von Gästen gerne kümmert. Die Freunde. Die Kollegen. Die, die man gerne mag. Und den Rest der Gäste ignoriert.
Das ist Gastgeber sein für Amateure.
Ein ähnliches Verhalten wird oft auch den Inhaber/innen der Gastronomie nachgesagt. Sie sind die Zampanos, die durch den Laden fegen. Lärm und Aufmerksamkeit versprühen. Dabei sehe ich das hier etwas „entspannter“. Das kann schon professionell sein. Es wird erwartet. Das ist Teil der Rolle.
Denn, man muss Gastgeber und Gastfreundschaft entkoppeln, von den Vorstellungen wie man privat ein guter Gastgeber ist.
Das Gastgebertum von dem ich spreche, die Gastfreundschaft, die ich meine, ist erlernbar, weil sie ein Teil eines Berufes ist. Fast eine Profession.
Der Mitarbeitende, der laut und jovial seine Friends and Familie begrüßt, und sich immer sehr aufmerksam um seine Lieblingsgäste kümmert, ist nicht zwingend ein guter Gastgeber. Diejenigen, die sich in seinem Kreis der Lieblinge aufhalten, sehen das natürlich anders. Und loben ihn über den Klee. Aber für das Team und andere Gäste ist das nicht unbedingt der Fall. Und auch der Betreiber, die Betreiberin sollten aufpassen, wenn so ein „überschwänglicher“ Gastgeber den Raum und die Bar dominiert. Es könnte mehr Leute stören als gefallen.
Gutes Gastgeben und Gastfreundschaft in der Gastronomie ist erlernbar, weil es je nach Art des Hauses Regeln folgen sollte. Und organisiert ist. Das meiste, was bei den Gästen, oft angenehm aber unauffällig als positive wahrgenommen wird, ist Planung. Damit ist man, etwas Talent vorausgesetzt, bereits ein sehr guter Gastgeber. Die letzten 10% sind das i-Tüpfelchen. Hat man. Oder hat man nicht.
Gastfreundschaft und Gastgeber sein, fängt mit der Planung des Lokals an. Wie fühlt sich das für den Gast an? Das Entree, das Welcoming, die Begrüßung, der Service. Viele Dutzende von Berührungspunkten, über die man bereits bei der Planung nachdenken muss. Wird daraus eine harmonische, entspannte Anzahl an Punkten, fühlt der Gast sich wohl.
Dann gilt es viele einzelne Punkte für den Gast immer wieder in zu überprüfen. Alles sauber, vorbereitet, geplant, auf viele Eventualitäten und bekannte kurzfristige Sonderwünsche perfekt vorbereitet? Funktioniert das neue Kassensystem schneller und macht den Gast das Erlebnis noch komfortabler? Kommt das Handtuchpapier auf den Waschräumen in kurzen Stücken raus - was der Autobahnraststätte gleicht. Oder gibt der Automat gleich ein großzügiges Stück und sagt indirekt „Willkommen“? Es gibt sehr viele Kleinigkeiten, die man optimieren kann.
Der größte wahrnehmbare Faktor „Gastfreundschaft“ findet natürlich zwischen dem Team und dem Gast statt. Auch hier gilt es, die Dinge zu verbessern und zu planen. Weniger Wartezeiten, weniger Handgriffe, perfekte Systeme. Alles, was hier die Interaktion stressen kann, gehört reduziert.
Stress ist ein großes Thema. Ich schreibe oft, dass Mitarbeitende der Gastronomie dem Gast das Gefühl von „Ich hab heute richtig Bock auf euch, schön das ihr bei uns seid“ vermitteln sollen. Auch das ist planbar. Denn Stressfaktoren gehören reduziert. Das genervt sein, die Bocklosigkeit, hat meist nicht viel mit dem Gast zu tun. Sondern mit schlechtem Stress-Management. Man hat nicht gelernt, mit Stress umzugehen. Ist noch nicht so weit. Hat vielleicht an ganz anderer Stelle, auch privat, Probleme, die sich in der Arbeit niederschlagen.
Vor kurzem habe einen Vortrag von Johannes Braun aus Berlin gehört. Es ging um Stressbewältigung in schnellen Gastro Service. Tolle Denkanstöße. Wie kann ich als Betrieb das Team hier unterstützen? Sicherlich eine sehr gute Aufgabe für 2025, hier besser zu werden.
Was manchmal fehlt, ist aber auch die Bringschuld des Mitarbeitenden. Sauber und frühzeit kommunizieren, wenn etwas privates große Probleme bereitet. Damit Schichten getauscht, Kontakt am Gast für einen Abend mal reduziert werden kann.
Und natürlich Bock haben. Aber ich meine hier, Bock darauf, in dem Serviceberuf Bar oder Kellner wirklich gut zu werden. An sich zu arbeiten. Zu erkennen, dass man noch lange nicht so gut, wie man denkt. Dass man wie beim Sport trainieren muss. Dass das alles doch nicht so einfach ist, wie man denkt.
Also ja. Man kann es lernen, ein guter Gastgeber zu sein. Aber lernen bedeutet auch: Dran bleiben, wiederholen, sich Mühe geben, trainieren, sich in Frage stellen. Lernen bedeutet nicht, dass jemand anderes einem ein gutes System hinstellt, und man selber nichts mehr machen muss. Das ist kein Lernen. Das ist stillstand. Wer solche Mitarbeitende im Team hat, ist kein guter Gastgeber. Denn sie verhindern, dass das Team am Gast glänzen kann.
Gastfreundschaft ist Gemeinschaftsaufgabe. Vom Team und vom Betrieb. Jeder macht seinen Teil. Und jeder hat Lust, stetig besser zu werden.
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https://johannesbraun.berlin/