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Kleine Lügen erhalten die Freundschaft

Ich möchte Reservierungen in unserer Bar abschaffen. Das verhindert zwar Freundschaftslügen, macht die Dinge aber weniger komplex!
Kleine Lügen erhalten die Freundschaft

Ich möchte Reservierungen ab September in unserer Bar abschaffen. Das ist mein Plan für die Wintersaison. 

Grundsätzlich sind Reservierungen ein tolles Tool für die Gastronomie. Denn sie geben Sicherheit. Dem Gast zu kommen. Dem Gastronomen, dass was los ist. Zumindest in den meisten Lokalen. Gutes Restaurant-Business ohne Reservierungen? Sehr schwierig. Wer heute ein gut ausgelastetes Restaurant haben möchte, braucht in der Regel ein gutes Reservierungsmanagement.

Bars funktionieren anders. Gerade in Großstädten. Wir haben im Le Lion alle Varianten an Reservierungen über viele Jahre durchgespielt. Neuere Reservierungssoftware wie ZenChef machen da einen großartigen Job und erlauben extrem feine Einstellungen. Und sehr gute Kundenkommunikation. Waren Reservierungen früher viel “Handarbeit” - läuft heute viel automatisiert. Das ist also eigentlich nicht mehr das Problem. 

Aber Bars sind ein anderes, schnelles Geschäft. Und die Mindestumsätze und Verweildauer sind geringer als in Restaurants. Gerade Reservierungen am späten Abend sind eine Herausforderung, da Gäste oft verspätet kommen. Oder gar nicht und nicht absagen.

Software bietet viele Möglichkeiten, hier zu erinnern, nachzufassen oder mit Vorkasse und No Show Buchungen das Nichterscheinen zu minimieren. Andererseits macht all das die Dinge unnötig komplex. Und die Frage ist: Lohnt sich für uns ein immer komplexeres Reservierungssystem? Mehr Kommunikation, Arbeit, Buchungen, Fehlerquellen, etc. Oder ist es sinnvoller, das komplett abzuschaffen. Weniger Komplexität. Mehr Fokus auf das Wesentliche. Und ich mag es aktuell sehr, Dinge wegzulassen. 

Also werden wir wieder “umstellen”. Auf “Walk-In only” und “First come, first serve”. Komm vorbei, und wir werden dich platzieren. Bis wir voll sind. Dann musst du warten. 

Glücklicherweise hat sich unsere Innenstadt Situation verändert. Waren wir früher die einzige Bar und Nachtgastronomie, konnten wir Gästen beim Status “Voll”  keine fußläufige Alternative anbieten. Jetzt gibt es einige Bars und Gastronomen, an die wir verweisen können. Und die Bereitschaft, kurz zu warten, ist mittlerweile deutlich gestiegen. Das mag zum einen am internationalen Publikum, gerade am Wochenende, liegen. Zum anderen gibt es dafür einfach mehr Verständnis.

Ob sich das aufs Business auswirkt, eventuell einige Gäste ohne die Sicherheit einer Reservierung, nicht mehr kommen werden, wird die Zeit zeigen. Ich habe da keine großen Bedenken. Bars leben von der Spontanität und dem Kurzweiligen. Gäste, die das schätzen, haben in der Regel auch den Mut, es ohne Reservierung zu versuchen.

Aber; eine Sache in Bezug auf Reservierungen werde ich vermissen. Die kleinen Lügen, mit denen man Freundschaft erhält.

Heute wird das Geflunker bereits sehr gut durch die Reservierungssoftware organisiert. Andererseits gehört dieses freundliche Flunkern zur Standard-Ausbildung jedes Front Desk Mitarbeiters. Die Frage “Haben Sie reserviert?” in Kombination mit dem passenden Squeeze Angebot. Das setzt natürlich voraus, dass es genug Walk-In Gäste in dem Lokal gibt. Also in der Regel ein urbanes Geflunker.

Situation:

Gast kommt an den Front Desk:” Guten Abend, haben Sie Platz für zwei Personen?”
Front Desk “Guten Abend und Herzlich Willkommen". Darf ich fragen: "Hatten Sie reserviert?””
Gast” Nein”
Front Desk: “Kein Problem, lassen sie mich kurz checken”

#Regieanweisung für Front Desk: Mit dem Stift in der Hand über die Reservierungsliste konzentriert “fliegen”, alternativ sich über iPad, Laptop beugen und fokussiert lesen. Minimum 5 Sekunden, maximal 20 Sekunden. 

Front Desk: “Sie haben Glück, ich habe einen Tisch für 90 Minuten*, danach habe ich leider Reservierungen. Wäre das was für Sie?”

Info: Es waren mehrere Tische im Restaurant frei. Auch später am Abend. Aber man setzt dem Gast erst einmal ein Limit ( *90 Minuten können je nach Konzept weniger oder mehr sein. Somit kann man den Tisch später, bei weiteren Walk-Ins oder Anfragen, nochmals vergeben.

Mit diesen kleinen Notlügen macht man seit Urzeiten in der Regel beide Seiten glücklich. Der spontane Gast hat noch einen Tisch bekommen. Und man kann noch Reservierungen für später annehmen. Win, Win. Und niemand ist enttäuscht. Natürlich haben wir das schon oft an gut besuchten Wochenenden im Le Lion genauso gespielt. Wenn man jetzt keine Reservierungen mehr annimmt, fehlt diese charmante Spielart. Ich werde das geflunkert vermissen.

Aber die Idee, egal wie man es macht, bleibt die gleiche: Front Desk, Empfang und Platzierung sind ein elementarer Baustein, um ein Restaurant oder eine Bar konstant über viele Stunden gut auszulasten. Auch ohne Reservierungen ist die “Tür” im Winter eine abendfüllende Position, die viel Fingerspitzengefühl erfordert

Ich bin sehr gespannt, ob wir mit der Walk-ins Policy ab September in der gesamten Wintersaison eine höhere Auslastung und gute Abläufe schaffen. Und natürlich: Zufriedene Gäste. Was mich am meisten reizt, ist das Weglassen. Weniger Komplexität. Besseres Business.