Nichts ist für die Ewigkeit
Vor ein paar Tagen erhielt ich eine Hiobsbotschaft. Ich bestellte Gläser nach, unter anderem unser Old-Fashioned-Glas, in dem wir einen Teil unserer Drinks und den Gin Basil Smash servieren. Und der Händler antwortet: “Sorry. Das Glas ist aus. Und wird auch nicht mehr hergestellt. Nicht mehr lieferbar.”
Oha.
Libbey Old Fashioned - Heavy Base 266ml - Artikelnummer 128 - Rest in Peace. Du hast uns treue Dienste geleistet.
Ich durchlief die 5 Stufen der Trennung.
Erst mal leugnen. So ein Quatsch. Diesen Klassiker wird es doch noch irgendwo geben. Ich durchsuchte das ganze Netz. Fast überall ausverkauft. Ein Anbieter zu absurden Preisen. Zwei andere ließen Bestellungen zu. Nach Tagen dann die Mail und Rückerstattung. “Pardon, der Artikel war nicht auf Lager und ist bei unserem Zulieferer ausverkauft”
Kleine Panikattacke, Gefühlsausbruch - Houston, wir haben ein Problem.
Es ging zum Verhandeln. Ich fragte bei unserem Händler Alternativen an. Auch bei diversen anderen Zulieferern. Lies Muster kommen. Fragte Preise an.
Das Ergebnis war deprimierend. Das 128er hatten wir bei den Abnahmemengen mittlerweile auf nur noch 1,87 Euro heruntergehandelt. Die neuen Muster lagen bei erschreckend 4, 5 und 6 Euro pro Glas. Schlimmer noch: Ein Old Fashioned Glas ist kein Tumbler. Ein Old Fashioned Glas läuft unten zu, während der Tumbler gerade herunterläuft. Ein Old Fashioned Glas ist somit stapelbar. Ein Tumbler nicht. Aber die Bar Welt scheint sich verändert zu haben, denn es gibt nur noch wenige Old Fashioned Gläser, die stapelbar sind. Tumbler dagegen, wenn auch viele teils hässliche, gibt es in rauen Mengen.
Durch die Mengen an gefrosteten Old Fashioned Gläsern, die wir an vollen Abenden benötigen, sind wir auf ein stapelbares Glas angewiesen. Stapelbar, so haben mir die Muster gezeigt, hat große Unterschiede, was den Luftraum zwischen zwei Glasböden angeht. Eine Glasform schafft 4 Glas pro Stapel, während eine andere die gleiche Höhe mit nur zweien erreicht.
Eine andere wichtige Änderung: Die Gläsergrößen haben sich geändert. Gläser in der Füllmenge, die wir benötigen, ca. 266 ml, sind extrem rar. Merkbar kleiner ist nicht akzeptabel, größer aber ebenso schwierig. Alle Drinks Rezepte sind auf diese Glasgrößen skaliert, Gäste und Bartender an die Größen gewöhnt.
Ich habe ein paar Tage alle Optionen studiert. Muster kommen lassen. Und schließlich akzeptiert: Nichts ist für die Ewigkeit. Ich werde nicht alle Faktoren erfüllen können. Wir werden mit kleinen Änderungen leben müssen.
Das neue Glas ist von der Füllmenge nahezu identisch. Nur ½ cl weniger Füllmenge. Allerdings verdoppelte sich der Preis auch bei hoher Abnahme auf 3,92 Euro pro Glas. Das Glas ist deutlich dünnwandiger, aber angeblich trotzdem sehr stabiles Material. Wir rechnen mit mehr Bruch. Am Ende des Tages wird die Praxis entschieden. Wir haben kleine Stapel der Muster im Frosterschrank gestapelt gefroren und die Test liefen gut. Der Hauptgrund für Bruch beim alten Glas war, dass die Gläser beim Stapel-Frosten zusammen hielten, und man eines beim Abnehmen zu viel hochzog, was dann runterfiel und kaputtging.
Vorteile: Die Optik ist elegant. Das deutlich dünnere Glas auch wesentlich edler beim Trinken. Inklusive gleicher Füllmenge für Gäste also durchweg positiv. Doppelter Preis und Bruchgefahr treffen das Kaufmanns-Herz. Wir werden das Glas im November austauschen.
Wenn Gewohntes plötzlich nicht mehr verfügbar ist, wackeln Systeme. In der Boilerman Bar haben wir früher das System von vorgefrosteten Gläsern mit Eisbällen auf Tabletts perfektioniert. Dann wurden unsere Unterbau-Kühlschränke nicht mehr hergestellt. Als wir diese dann mal tauschen mussten, passte kein Glas und kein Tablet mehr. Einmal alles neu denken.
Nicht ist für die Ewigkeit. Heiter weiter.