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Oswalds Fass

Ich durfte legendären Brandy aus Oswalds Fass probieren. Der beste Brandy, den ich je getrunken habe.
Oswalds Fass

Im Sommer letzten Jahres habe ich zwei sehr guten Stammgästen vom Löwen ein neues, kleines Holzfass geschenkt. Sie lieben Negroni und ich habe ihnen erklärt, wie sie in dem Fass ihren Negroni reifen lassen können. Frisches Holz verändert den Drinks bei erster Befüllung recht schnell. Die üblichen Tipps: Erst wässern, dann auffüllen etc. 

Heute waren sie wieder in der Bar und ich habe nachgefragt. Das Fass kommt sehr gut an. Es ist schon halb leer. Die Hausgäste finden immer mehr gefallen daran. 

„Ihr müsst es immer wieder auffüllen“ so mein Rat. Insbesondere, da ich einmal bei Fässern mit „Likör“ Füllung ( Campari / Vermouth enthalten Zucker) die Erfahrung gemacht habe, dass wenn man sie nahezu leer stehen lässt, es zu Schimmelbildung kommen kann.

Und ich konnte nicht umhin, Ihnen die Geschichte von Oswalds Fass zu erzählen. 

Mit 16, neue Schule, erweiterte sich mein Freundeskreis Richtung Nachbarsort. Ich war öfters bei meinem neuen Freund Robert zu Gast. Seine Familie, sie hatten spanische Wurzeln, waren fantastische Gastgeber. Lange Mittagessen. Zwei, drei Gänge. Hinterher gab es immer ein, zwei Runden starken, guten Kaffee. Und Gespräch. 

Ich mochte das. 

Im Laufe der Zeit lernte ich die Familie besser kennen. Und eines Tages fragte mich der Vater, Oswald, ob wir einen „Kleinen“ aus seinem Fass probieren möchten.

Ich hatte das Fass schon bemerkt. Es war ein ca. zwei, drei Liter Holzfass, stand im Wohnzimmer. Mit Hahn. Dunkles Holz. Schön gearbeitet. Daneben ein paar überdimensionale Cognac Schwenker, wie man sie in den 80er und 90er Jahren als Qualitätszeichen für guten Weinbrand zu benutzen pflegte.

In die überdimensionalen Gläser kam ein kleiner Schuss dunklen Brandys. Im ersten Moment brannte es. Aber ehrlich gestanden hatte es auch eine tolle Frucht. Der kleine Schluck schmeckte. Und wurde bei vielen Essen zum Ritual, um einen besonderen Tag oder ein gutes Essen zu unterstreichen. 

Über die Zeit bemerkte ich, dass nicht jedem oder immer ein Schluck aus dem Fass angeboten wurde. Ich bemerkte auch, dass „Oswalds Fass“ durchaus etwas Besonderes im Kreise der Oswald Freunde war. „Und, durftest du schon aus dem Fass probieren?“ waren eine Frage, die gestellt wurde. Dieses Fass und der gute Tropfen waren durchaus im Ort bekannt. 

Ehrlich gestanden hatte ich zu dem Zeitpunkt weniger Ahnung von hochwertigem Alkohol, der Herstellung und den ganzen Details. Mein Experten-Wissen war unter anderem, dass Rosche Uralt Korn sehr gut pur zum Pils schmeckt, aber im Korn Fanta Mix eine Katastrophe war. Der preiswerte Berentzen aber ein absoluter Gewinn im FA-KO war, pur nicht mit Rosche Uralt mithalten konnte. 

Korn Experte: Ja! Brandy und Weinbrand? Eher nicht. 

Viele Jahre später, es war schon nachdem ich den Ort Richtung Hamburg verlassen und in der Gastronomie arbeitete, hatte ich einen schwungvollen Abend bei meinem Freund Robert und seiner Familie. Mittlerweile hatte ich mehr Ahnung von Spirituosen und fragte Oswald, auch weil das kleine Fass nie leer wurde, interessiert, welchen legendären spanischen Brände er denn hier von seinen Spanien-Reisen immer mitbringt und im Fass hat? 

Ach Joerg, sagte Oswald, ich fülle das immer mit dem Brandy vom Supermarkt hier auf.

Ich habe die Marke tatsächlich vergessen. Aber es war etwas Einfaches. Man trank das mit Cola. Aber eher nicht pur. Und der Geschmack aus der Flasche, war niemals mit den legendären Gläsern aus dem Fass zu vergleichen.

Heute weiß ich, dass ein paar Faktoren hinzukommen. Natürlich verändert ein Fass eine Spirituose maßgeblich und veredelt sie. Durchs Holz, durch vorherigen Fill, durch die Größe, durch die Zeit im Fass. Davon leben tausende von Whisky oder Rum Produzenten. Eine Billion-Dollar Industrie. Ein meisterliches Handwerk, was, um es zu beherrschen, viel Erfahrung bedarf.

Allerdings spreche ich wenige dieser Faktoren dem kleinen, edlen, immer wieder befülltem Holzfass in Niedersachsen zu. Aber die Magie dieses Fasses, mit Geschichten und Mythos, konnte es auch mit seinen zwei oder drei Litern perfekt bedienen. Wie, bleibt mir rätselhaft.

Ich bin also gespannt, was Olaf und John sich jetzt für ihr Fass überlegen. Auffüllen ist wichtig. Aber die Geschichte muss noch etwas komplexer werden. Damit ihr Negroni Fass in einiger Zeit ähnlichen Legendenstatus wie Oswalds Fass bekommt. 

Bei einigen Produkten, die in Fässern reifen, gehts um die Geschichte. Fässer sind "Magie". Und schwer zu kalkulierender Wert-Gewinn.