Schön angerichtetes Zellgift verkaufen
Vor einigen Tage habe ich Cocktails in einem Text als “schön angerichtet Zellgift” umschrieben. Es sorgte für Feedback. Aber es nützt ja nichts. Man muss Dinge beim Namen nennen.
Gastronomie ist Lifestyle. Es geht um die schönen Dinge. Und um schöne Beschreibung. Gastronomie verkauft den Überfluss, das Unvernünftige. Und wir verpacken es nett.
Aber: es ist wichtig, die Dinge richtig einzuschätzen. Alkohol ist eine starke Droge. Ein Zellgift. Regelmäßiger, starker Konsum macht abhängig. Das darf man nicht leugnen. Andererseits kann ein großer Teil der Menschheit gut mit dieser Droge umgehen. Ich habe mich schon vor vielen Jahren entschieden, diesen legal, regulierten Drogenverkauf, als Karriere zu sehen.
Die philosophische Frage, die man sich als Barbetreiber und auch Arbeitnehmer der Branche beantworten muss: Darf es legale Drogen gebe? Darf der Mensch unvernünftig sein? Darf er sich berauschen? Für mich ist seit jeher die Entscheidung klar: Ja, darf er. Und er darf das auch, wenn volljährig, ganz alleine entscheiden.
Bei Missbrauch obliegen mir als Betreiber Sorgfaltspflichten. Das ist gut so. Aber ich glaube, die Welt wäre auch ein besserer Platz, wenn mehr Menschen nach dem Prinzip “Not my business” leben könnten.
Zunehmens, geboostet durch Corona, wächst die Zahl der Selbstoptimierer. Die ergänzenden Mikronährstoffe sind bis ins letzte Gramm perfektioniert. Ein Ring sie zu knechten trackt den Schlaf und die Bewegung. Workout ist eh klar. Die Gesundheit hat einen hohen Stellenwert bekommen. Das finde ich sehr gut. Unvernünftig sein ist allerdings für viele, bei all der Optimierung, ein rotes Tuch geworden.
Ernüchtern. Ich denke, unvernünftig macht das Leben lebenswert.
Es wird deutlich weniger Alkohol getrunken. Bravo. Und das ist auch gar kein Problem für eine Bar. Die Gäste trinken weniger. Wenn, dann bewusst und hochwertig. Toll!
Interessant allerdings auch folgende Entwicklung: Obwohl jeder Statistik nach immer weniger und immer bedachter mit Alkohol umgegangen wird, werden die politischen Rufe nach mehr Regulierung und Einschränkung immer lauter.
Wichtig ist ein nüchterner Blick. Auf deine Zukunft. Möchtest du in einer Branche Karriere machen, die sich um den Verkauf einer noch legalen Droge dreht? In der mit großer Wahrscheinlichkeit mehr Regulierungen und Einschränkungen, trotz deutlich geringerem Konsum, zu rechnen ist?
Hat das, was ich mache, eine Zukunft? Möchte ich das auch in Zukunft machen?
Ich habe mich entschieden. Drogen und Zellgift sind auch in Zukunft Teil meines Schaffens.
Aber wenn ich ehrlich bin, geht es um mehr: Ich verkaufe auch in der Zukunft das Recht auf elegante Unvernunft.