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Vor 124 Jahren wusste ein berühmter Bartender: Spirituosenmarken sind schlecht für das Bar-Business

Was verkaufe ich, für wen, und dient es meinen Gästen und mir?
Vor 124 Jahren wusste ein berühmter Bartender: Spirituosenmarken sind schlecht für das Bar-Business

Ich mag alte Barbücher. Klar auch wegen der Drinks. Schöner aber sind die Texte rund um die Bar Philosophie und das Bar-Business. Harry Johnson hat 1882 sein erstes Barbuch veröffentlicht. Er war ein echter Haudegen. Aus Deutschland kommend, wanderte er nach Kalifornien aus, später Chicago und betrieb zur Blüte die feinsten Bars in New York. Später zurück nach Berlin. Wo er 1930 starb und beerdigt wurde. 

Wenn man die unterschiedlichen Versionen seiner Bücher aufmerksam liest, stellt man in der 1900 Ausgabe eine, für Kaufleute und Bar-Business Liebhaber wichtige Änderung fest:

Es gibt einen recht umfangreichen Artikel über eine neue Mode, die ihm auffällt, und die er für sehr gefährlich fürs Business und die Branche hält:

“Of late years it has become quite the fashion to sell over the different bars all the various brands of liquors or case goods. No one is to lame for this than the proprietors or saloon-keepers, because every one of them, in the desire to offer special inducements and obtain trade, have pushed these goods on to the public notice, and by so doing have cut into their own flesh. By offering and introducing the different brands, whether they were called for or not, and without stopping to think, whether it was advisable or profitable to do so or not, people in our business have injured themselves and the trade as well…”

Das sind die ersten Zeilen aus Kapitel 22, “a few remarks about case good” und auch die folgenden Seiten zu dem Thema sind eine Leseempfehlung. Ein Grundkurs in Bar Business. Vor knapp +120 Jahren startete das Thema Marken und Alkohol in gebrandeten Flaschen auch wahrnehmbar in den USA. 

Und seitdem stellt man sich als Bar-Eigentümer die ewige Frage: Verkaufe ich guten Alkohol? Oder anderen Leuten Marken? 

Johnson erklärt den Lauf der Dinge. Destiller produzieren Alkohol. In unterschiedlicher Qualität. Die Aufgabe des guten Bartenders ist es, bei den Destillerien zu prüfen, welche Fässer gut sind, und diese für seine Bar einzukaufen. Seit kurzem (1900) bieten nun aber Destiller auch Waren in Flaschen an. Die Ware ist aber deutlich teurer als gute Fassware. Das bedeutet, ich kaufe teurer ein und muss dem Gast gegenüber teuer verkaufen. Ohne Mehrwert. Das Einzige, was mir passiert ist, dass ich zuerst austauschbar werde, denn auch andere können die gleichen Flaschen verkaufen. Und dass ich, indem ich ein Markenprodukt als Kaufmann empfehle, von diesem abhängig werde. Denn der Kunde gewöhnt sich nicht an mich als Kurator guter Spirituose, sondern an das Markenprodukt. Das ist nur eine kurze Zusammenfassung von Johnsons Gedanken. Und man muss sie einordnen. Denn ihm fehlen die letzten 100+ Jahre Bar. Das Bar-Business, wo es heute steht. Wo es fast nur noch um Markenprodukte geht. Und das ja auch ein Teil der Magie in der Bar sein kann. Die gesamte Angebotspalette hat sich geändert. Es gab früher hunderte kleiner lokaler Anbieter,  das Angebot ist deutlich kleiner geworden. Alkohol ist mittlerweile stark reglementiert, Faß Verkauf und Handling in einer Innenstadt sicherlich nicht so machbar. Und die Spirituosenhersteller haben natürlich ein berechtigtes Eigeninteresse. Ihre Produkte mit Marken aufzuladen, die Margen zu erhöhen, nicht abhängig zu sein, nicht austauschbar zu werden.

Aber dennoch ist es sinnvoll, sich diese schon 125 Jahre alten Frage zu stellen. Was verkaufe ich, für wen, und dient es meinen Gästen und mir?

Mir sind die Zeilen von Harry Johnson, über die ich schon oft geschrieben habe und die ich liebe, wieder eingefallen, weil mich gestern zwei E-Mails erreicht haben. Von jungen, sehr coolen und geschätzten Spirituosen Markeninhabern. Wagemut und Kaltenthaler Spirituosen. Es war Ihre Antwort auf meinen Newsletter Text von vorgestern “Wir wollen die Preise senken”. Wo ich unter anderem darüber geschrieben habe, Marken auszutauschen. Die, die Teuer geworden sind, gegen andere. Um den Gästen einen guten Wert fürs Geld bieten zu können.

Beide jungen Unternehmer haben mir daraufhin Angebot geschickt. Zu Bulkware. Also Spirituosen jenseits von gelabelter Markenware. Einfach guten Spirituosen. Gin, Vodka, Rum, Aperitiven, Likören. In 10 Liter Gebinden. 

Das ist, je nach Drink, Idee oder Angebot, durchaus interessant für Gastronomen. Kaltenthaler bietet sogar viele Drinks Ready to serve an. Der 10 Liter Gin Basil Smash ist für mich jetzt nicht interessant, aber vielleicht ja für die eine oder andere Event-Location. Beide bieten White und Private Label an. Auch das kann für eine Bar interessant sein. Ich weiß nicht, ob die Angebote exklusiv für mich waren, daher möchte ich hier keine Preise veröffentlichen. Aber falls du Bulkware von Qualitätsproduzenten suchst, schreib die beiden Häuser an und bitte um ein Angebot. 

Und mich würde interessieren: Wie sind deine Erfahrungen mit Bulkware? Nutzt du das? Wofür? Welche Anbieter kannst du empfehlen?

Leseempfehlung: EVUS Digital Archive für historische Barbücher - 1900 Ausgabe Harry Johnson, Kapitel 22: https://euvs-vintage-cocktail-books.cld.bz/1900-Harry-Johnson-s-New-and-Improved-Bartenders-Manual1/64/

Kontakt Wagemut: www.wagemut.at

Kontak Destille Kathenthaler : www.destillekaltenthaler.de

7cl Text: www.7cl-business.de/wir-wollen-die-preise-senken