"Swifties in town" - Warum du deine Bar von Taylor Swift unabhängig machen musst
Wer Gastronomie lebt, kennt das Spiel: Du kannst den Umsatz kurzfristig nicht vorhersagen. Nachtgastronomie ist oft ein Wochenendgeschäft. Du machst am Freitag und Samstag die höchsten Umsätze. Ist bei uns auch noch so.
Die Wochentage sind ruhiger. Du arbeitest mit weniger Personal. Und dann: ZACK, ist dein Laden an einem Montag voll.
Wenn du dein Geschäft nicht an jedem Tag mit maximalem Personal vor Ort planst, werden solche Tage, an denen es plötzlich deutlich voller wird, anstrengend. Erst für das Personal, irgendwann auch für die Gäste. Andererseits sind Personalkosten der bei Weitem größte Kostenfaktor in der Gastronomie. Unter 30% war die gute alte Zeit. 40%, 50% oft keine Seltenheit mehr. Daher kann es sich niemand erlauben, jeden Tag zu viel Personal vor Ort zu haben.
Montage sind eher ruhig. Wenn es schlecht läuft, jetzt im Sommer, machen wir unter 2000 Euro Umsatz. Und dann kann ich den Tag eher als Verlust abschließen. Personalkosten und Miete fressen nach Wareneinsatz schon allen Umsatz auf. Aber es kann auch deutlich voller werden. Vorgestern war es voll. Montag Abend. Fast 4000,00 Euro Umsatz. Janine sagt: Die Swifties waren hier.
Taylor Swift Fans waren in der Stadt. Auch ohne Kennzeichnung irgendwie zu erkennen. Viele amerikanische Gäste. Recht jung. Etwas aufgekratzt. Trinkfreudig. Gespräche ums Konzert, am Abend vor dem großen Konzert. Das Personal mochte die Swifties. Ein guter Montag.
Beim Dienstplan schreiben hatte ich das nicht auf dem Schirm: Zwei Tage Konzert in Hamburg. Ca. 60.000 Besucher pro Konzert.
Es gibt die großen Termine, die man in Hamburg kennt. Hafengeburtstag, Schlagermove, etc. Diese bedeuten aber, dass es an dem Wochenende in der Bar eher ruhiger wird, da “unsere” Gäste hier flüchten.
Dann gibt es ungewöhnliche Termine, die Gastronomen über die Jahre kennen, und die eine Bar voll machen. Das Eisbeinessen, Hamburgs Ship Brokers Dinner, dieses Jahr am 8. November 2024, spült ein paar tausend, durstige Menschen, gerade auch am Vorabend, in die Bars. Das Ostasiatische Liebesmahl, das gibt es wirklich, ist eines der ganz wenigen Dinner, die direkt im Hamburger Rathaus stattfinden. Sehr ausgesuchte Gesellschaft einiger hundert Gäste. Smoking und Abendkleid sind Pflicht. Vor zwei Jahren hat uns einer der Teilnehmer “entdeckt” und nach dem Dinner als Treffpunkt “unabgesprochen” ausgeben. Auch dieses Jahr wussten wir vorher nicht, warum plötzlich ab 22.30 Uhr, hundert und mehr Gäste im Smoking und Abendkleid kamen. Zum Glück war es ein milder Abend. Und wir konnten neben einer sehr spät sehr gut besuchten Bar sicherlich 50+ Personen mit Gin Tonics auf der Straße glücklich machen. Kann und sollte man all diese Termine bedenken? Kurzfristig vielleicht.
Ich als Unternehmer muss auf lange Sicht ein ganz anderes Ziel verfolgen. Ich muss auf Taylor verzichten können. Jeder Tag muss gut besucht sein. Kontinuierlich 80%. Sodas man jeden Tag mit voller Personalkraft arbeiten kann. Das macht die Planung dann einfach. Und ist gut fürs Personal und die Gäste. Und natürlich auch für das Betriebsergebnis.
Aber fangen wir klein an. Viel wichtiger für erfolgreiche Tage: Jede Stunde deiner Öffnungszeit muss gut gefüllt sein. Wenn du eine Bar neu eröffnest, ist diese immer nach dem Essen voll. Man ist unterwegs, man hat von einer neuen Bar gehört. Wir schauen mal. Aber du hast noch nicht das Vertrauen aufgebaut, dass Gäste dich als Ziel, egal zu welcher Zeit, besuchen wollen.
Du musst bekannt werden. Vertrauen aufbauen. So gut werden, dass Gäste um 20.00 Uhr, statt zum Essen, zu dir in die Bar gehen. Denn deine Bar ist das “bessere” Erlebnis für Sie an diesem Abend geworden. Nach dem Essen kommen viele. Es wird zu voll. Nicht alle kommen rein. Du verlierst wieder Gäste. Sie sind genervt, weil du sie nicht bewirten konntest. Das ewige Spiel. Zwei Schritte vor, einen zurück.
Mach dein Zeitfenster noch breiter. Kümmere dich um eine gut besuchte Aperitif-Zeit. Oder um die späte Nacht. Beides abzudecken, ist schwer. Mitarbeiter und Arbeitszeitgesetze sprechen gegen lange Schichten. Wichtig ist: Wenn du 8 Stunden geöffnet hast, sieh zu das mind. 6 gut besucht sind.
Du musst die Stunden des Tages füllen. Und dann jeden Öffnungstag. Jeden Tag Vertrauen gewinnen, dass du ein guter Laden bist. An vielen Tagen auch Vertrauen verlieren, weil es zu voll war und ihr die Gäste nicht hereinlassen konntet. Stoische Gelassenheit hilft. Und der Blick auf das lange Ziel.
Nach bald 17 Jahren haben wir das Ziel noch nicht ganz erreicht. Aber wir sind schon ein gutes Stück weiter gekommen. Waren die Schwankungen früher von irgendwas um 500 Euro (die ersten Sommer waren eine Katastrophe) bis 3500 Euro, ist das heute schon deutlich ausgeglichener geworden. Die Hauptbar im Erdgeschoss ist den gesamten Winter über immer gut besucht. Jeden Tag. Viele Stunden. Bis auf den Sommer erreichen wir an die 4000 Euro im Schnitt bzw. haben Schwankungen von durchschnittlich 3500 bis 6000 Euro pro Tag im Erdgeschoss.
Der Pine Room im ersten Stock wird noch Zeit brauchen, bis er so kontinuierlich ausgelastet ist. Wir öffnen ihn nur in der Wintersaison und generieren hier dann auch bis zu 5000 Euro täglich. Aber die Auslastung hier ist noch sehr Wochenendlastig. Es wird jedes Jahr besser. Aktuell aber für die Planung noch ein anstrengender Faktor. Jedes Jahr besuchen ca. 95 Millionen Tagesgäste Hamburg. Das ist für eine Bar meist uninteressant. Aber auch hier nehmen einige am frühen Abend noch einen Drink bevor der letzte ICE nach Berlin, Hannover oder Bremen fährt. Und auch ein Teil der ca. 6,8 Million touristischen Übernachtungsgäste mit +14 Millionen Übernachtungen im Jahr will Abends die Stadt erleben. Hinzu kommen die geliebten 1,8 Millionen Einwohner Hamburgs.
150 bis 300 aus diesem Pool müssen sich jeden Abend dafür entscheiden, Drinks im Löwen zu trinken. Im Idealfall zu unterschiedlichen Zeiten, mit unterschiedlichen Ideen im Kopf.
Anders gesagt: Es spricht nichts dagegen, dass eine kleine Bar in Hamburg jeden Tag gut besucht ist. Egal, was drumherum passiert.
Der Weg dahin: Qualität, Kontinuität, Stammgäste gewinnen, Hamburg Besucher neugierig auf uns machen. Wer viele Gäste gewinnt, die über einen reden, merkt irgendwann kein Taylor Swift Konzert an einem Montag mehr.
Seit 17 Jahren ist das das Ziel. Wir sind auf einem guten Weg. Und nichts gegen Taylor Swift
See the lights, see the party, the ball gowns
See you make your way through the crowd
And say, "Hello"...
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- Für die Kaufleute unter euch: Die genannten Umsatzzahlen betreffen (leider noch) Bruttoumsätze 😁
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