Trend: Alkoholfrei trinken.
Wir testen gerade final die Drinks für das Wintermenü. Mein Team und ich mögen Alkohol. Und viele unserer Drinks sind Alkohol betont, straight forward. Dafür stehen wir seit der Eröffnung 2007. Wir haben natürlich auch eine kleine Auswahl alkoholfreier Drinks auf der Karte. Ich finde es wichtig und richtig, dass Gäste, die heute keinen Alkohol trinken wollen, eine Alternative finden.
Allerdings: Diese neue Gattung von sogenannten “alkoholfreien Spirituosen” hat mich noch nie interessiert und wird im Le Lion auch nicht serviert. Mein Eindruck seit einem Jahr: Es ist in den Bars ruhig geworden um diese Kategorie. Im Handel mag die Kategorie noch funktionieren, aber ich finde, man sieht viele Bars, die diesen Trend wieder auslisten. Das ist erfreulich. Denn es fehlt eine echte Qualität. Stattdessen, vereinfacht ausgedrückt, verkauft man überteuerte Lebensmittelchemie im Glas. Dinge sollten einen Wert haben. Der fehlt.
Diese krassen “Warenunterschiebungen” mit Bezeichnungen wie “Alkohofreier Gin, Whisky, Rum oder Tequila, sehe ich in fast keiner Bar im Einsatz. Erfreulich. Diese Idee eines alkoholfreien Aperitifs wie “Vermouth” oder “Aperol ähnlich”, scheinen eher noch Anklang zu finden. Wenn man auf die Rückseiten der Flaschen schaut, verkauft man dann in der Regel gewürzte Traubensäfte oder ähnliches zum deutlich höheren Einkaufspreis, mit knappem Haltbarkeitsdatum.
Was mich wundert, dass in all den letzten Jahren, gerade mit Hilfe eines Corona oder Health Boost, diese Anfangs schnell wachsende und Start Up Kapital einsammelnde Kategorie es nicht geschafft hat, echte Marken aufzubauen. Marken die von Konsument verlangt bzw. wiedererkannt werden.
Ich kenne keinen alkoholfreien “Spirituosen” Anbieter, bei dem es zu ernsthaften Brandscall in der Bar kommt. Ich habe noch keinen jenseits von PR und Event gehört.
Das ist beruhigend. Zeigt es doch, dass die Gäste clever sind. Und es ist eine Chance für Gastronomen. Denn es zeigt auch, dass Gäste alkoholfrei trinken möchten. Aber sie hier, anders als bei Spirituosen, keinen Brandcall haben. Es soll alkoholfrei, interessant und gut sein. Marke egal. Mach was schönes…
Das ist eine Chance für die Bar. Eigenes herzustellen, statt überteuerte alkoholfreie Brands einzulisten, die eh keiner wirklich wegen des Brands bestellt. Dabei geht es gar nicht um die eigene “Produktion”, sondern auch um den Griff zu natürlichen Tee-Extrakten, Kombuchas oder Trink Essigen, um nur einige Beispiele zu nennen. Die Vielfalt der alkoholfreien Drinks Zutaten, jenseits fragwürdiger alkoholfreier Spirituosen hin zu echten, natürlichen Ingredienzen, ist groß.
Auch wir sind hier noch ausbaufähig. Andererseits steht das Le Lion für gute alkoholische Getränke. Alkohol ist eine harte Droge und gerne bieten wir Gästen auch Alternativen an. Aber der Focus sind alkoholische Drinks. Dieses naive Spiel, dass man alkoholfreie Drinks genauso emotional besetzen kann, wie alkoholische, sehe ich nicht. Sozusagen: alkoholisch trinken, mit alkoholfreien Spirituosen „nachzuspielen“ finde ich albern.
Als Bar braucht man Haltung. Bartender und Bartenderinnen sollten wie das kleine Kind sein. Das im Märchen von Hans Christian Andersen. Das reinen Herzen zum Kaiser gerufen hat “Das ist ja gar kein Alkohol!”. Oder was hat es nochmal gerufen?