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“Warum wir in Berlin nicht mehr essen gehen werden”

Die Berliner Zeitung empört sich über Restaurant. Das schmeckt nicht jeden. Ist hart, aber fair.
“Warum wir in Berlin nicht mehr essen gehen werden”
Artikel mit Click Bait Überschrift in der Berliner Zeitung

“Warum wir in Berlin nicht mehr essen gehen werden” postulierten fünf Journalisten und Journalistinnen der Berliner Tageszeitung vor einigen Tagen in einem Artikel.

“Liebe Journalisten der Berliner Zeitung, was war denn das … ? “ fragte Jonathan Kartenberg, bekannter Koch aus Berlin, gestern in einem Statement Video zu dem Text der Berliner Zeitung auf Instagram zurück. “Wir müssen reden..” so Kartenberg, und trug seine Einladung, einmal im Restaurant zu arbeiten und die Umstände zu verstehen, wirklich charmant, freundlich und bestimmt vor.

Seine Reaktion wurde in meiner kleinen Food Bubble “geshared”. Und geliked. Aber so sympathisch wie er sein “Ihr müsst uns doch verstehen” vorgebracht hat, habe ich nur gedacht: Äh, nein. Müssen sie nicht.

Die fünf Gründe, die die fünf Schreibenden vorgebracht haben, waren alle völlig in Ordnung. 

Verkürzt dargestellt:

  1. Ruth Schneeberger: Viele Restaurants sind unflexibel geworden, haben verkürzte Öffnungszeiten, oft mit weniger Service. Und diese Gründe in Kombination von gestiegenen Lebenshaltungskosten und deutlichen Preissteigerungen vermiesen ihr den Restaurantbesuch.
  2. Marcus Weingärtner bemerkt nach der Pandemie eine Veränderung an sich selbst. Er ist menschenscheuer geworden und merkt, dass er lieber Zuhause als im Restaurant ist. Er mag den Budenzauber und das Geschwätzige nicht mehr, hat sich verändert.
  3. Anne Vorbringer kocht sehr gerne und sehr gut. Und mittlerweile findet sie, dass sie meistens besser kocht als die sogenannten Profis. Sie hebt sich essen gehen für den Urlaub und ganz besondere kulinarische Erlebnisse auf.
  4. Wiebke Hollersen geht ganz ehrlich rein. Ihre Empfindung: Höhere Preise, kleinere Portionen. Damit ist ihr Absatz auch in Kürze erzählt. 
  5. Thomas Fasbender sieht eine  Zeitenwende. Einen wirklich Mind Shift in der Gesellschaft. Eine große Veränderung. Eine deutliche Abwendung. Ich zitiere aus dem Artikel “Die Gegenwart hat ihre Unschuld verloren, und mit dem bürgerlichen Zeitalter verschwinden seine Tempel: Opern, Theater, Restaurants. Wer’s nicht glaubt – abwarten. Junge Leute, habe ich gelesen, sind verunsichert, wenn sie im Lokal eine Bestellung aufgeben: ein Hort struktureller Macht und quasi-kolonialer Relationen.”  Was für eine wunderschöne Beschreibung.

Ich habe also den Text hinter der Pay Wall bei der Berliner Zeitung gelesen. 

Und ich habe mich gefragt: Was genau regt Jonathan Kartbergen daran auf? 

Gut, die Überschrift ist ein wenig reißerisch: “Warum wir in Berlin nicht mehr essen gehen werden”. Wir wissen natürlich alle, dass das Humbug ist. Click bait. Natürlich werden die fünf auch weiterhin in ihre Lieblingslokale in Berlin gehen. 

Die Kritik schmerzt besonders, da die fünf, und die Berliner Zeitung, einen großartigen kulinarischen Job in Berlin machen. Solch einen professionellen  Restaurant und Bar freundlichen Journalismus würde man sich in Hamburg von einer Tageszeitung, auf dem Level und mit der wohlwollenden Intensität, wünschen. Daher schmerzt die Kritik, denke ich, besonders. Ein Stich ins Herz. Aber die Kritiker haben völlig recht.

Jeder Gastronom sollte den Fünfen dankbar sein. Denn es ist ein Spiegel der Gesellschaft. So denkt der Gast. Und ich kann noch so sehr um Verständnis bitten. Wenn es nicht mehr passt, passt es nicht mehr.

Die fünf Gründe sind doch eine praktische Handlungsanleitung für Gastronomen, um das Konzept zu prüfen. Aber während Grund 1 bis 4 rein persönliche Empfindungen von Gästen sind, und damit völlig berechtigt, ist Punkt fünf hart. Tief. Und schmerzhaft.

Zeitenwende ist eine harte Realität. Es ändert sich was. Ganz viel, was vor ein paar Jahren noch funktioniert hat, interessiert heute nicht mehr ausreichend viele Menschen. Diese Wahrheit schmerzt. Sie wird für mehr Insolvenzen und Schließungen in der Branche sorgen und Existenzen zerstören. Schuld daran ist niemand. Das ist eine kulinarische Evolution. 

Während Punkt 1 - 4 Weichenstellungen erfordern, ist Punkt 5 die harte Frage nach dem Sinn. Macht das, was wir seit Jahren so gemacht haben, in Zukunft noch Sinn?

Und ich glaube, die Antwort wird nicht jedem schmecken. 

Edit: Im ausgesandten Newsletter habe ich fälschlicherweise an zwei Stellen die Abkürzung BZ für die Berliner Zeitung verwendet. Das ist falsch, es handelt sich bei Berliner Zeitung und BZ um zwei unterschiedliche Zeitungen. Ich habe das hier korrigiert.

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“Warum wir in Berlin nicht mehr essen gehen werden” Artikel in der Berliner Zeitung: 

https://www.berliner-zeitung.de/panorama/service-preise-oeffnungszeiten-und-andere-gruende-warum-wir-in-berlin-nicht-mehr-in-restaurants-gehen-li.2244660

Jonathan Kartenbergs Statement Video auf Instagram

https://www.instagram.com/reel/C-58h2ssHdQ/?igsh=YTRraGU2bHU1NXgx

Jonathan Kartenberg betreibt in Berlin das: