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“Wir wollen Ihnen Alkohol verkaufen, kein Wasser!”

Seit 2007 servieren wir allen Gästen immer kostenloses Wasser als Service in unserer Gastronomie. Das macht sich bezahlt. Und wir haben diese Idee noch weiter getragen.
“Wir wollen Ihnen Alkohol verkaufen, kein Wasser!”
Links: Collins Glas. Rechts: Highball Glas. Inhalt: Erfrischend.

Seit 2007 schenken wir kostenlos stilles Wasser in der Bar Le Lion aus. Ist das in der Form noch sinnvoll?  Zeit für ein Update.

Einige Monate vor der Eröffnung hatte ich angefangen, unser Konzept und den Fortschritt mit dem Bar-Bau-Blog öffentlich zu dokumentieren und zu teilen. Dort habe ich von unseren Servicestandards geschrieben. Eine Idee: Kostenloser Wasserservice. Jeder Gast, sobald er platziert ist, bekommt ein Glas Wasser hingestellt. Und immer nachgeschenkt.

Inspiriert war ich von einem alten Barbuch “New and Improved Bartender's Manual, or How to Mix Drinks in the Present Style” von Harry Johnson. Aus dem Jahre 1882. Ein Preuße, der in die USA ausgewandert ist und dort seine sehr exklusive Bar betrieb. Er erklärte wie Welcoming ein kühler Schluck Wasser nach einem staubigen Tag war, serviert auf einer feinen Leinen Serviette. Wow. Machen wir auch! 

Der kleine Aufschrei der Gastrokollegen erschien mir seiner Zeit recht groß. Das war in Deutschland nicht üblich. Wasser kostenlos? Mit Service? Warum?

Viele, gerade Restaurantbetreiber, glaubten, sie “lebten” vom Wasser verkauf. Dass wir als Bar ein ganz anderes Konzept verfolgten, interessierte sie nicht.  Eine Kalkulation ans eigene Konzept angepasst, war Fehlanzeige. 2007 war die Zeit, als hochwertig aufgemachtes Flaschenwasser in gehobener Gastronomie in Hamburg  6 bis 7 Euro, die 0,75 ltr Flasche kostete. Tafelwasser Anlagen und gezapftes, aufbereitet Wasser waren noch unüblich. Eine “Wasser Flat Rate” und ähnliche Angebote gab es nicht. 

Regeln brechen ist gut. Meist bedeutet es ja auch nur: Die Regeln zu ergänzen. 

Das sorgt für Gespräch und Aufmerksamkeit. Unser Wording wurde von da an: “Wir wollen Ihnen Alkohol verkaufen, kein Wasser!” 

Außerdem, das war schon früher klar, empfanden wir “viel Wasser” als Care-Arbeit für unsere Gäste. Wir leben vom Drogenverkauf. Also Alkohol. Wer Alkohol trinkt, dehydriert. Viel Wasser sorgt für einen bessere Verträglichkeit unseres schön angerichteten Zellgiftes

Ganz wichtig aber: Wir schenken permanent Wasser nach. Am Tisch mit Karaffen Service. Diese aufwendige Servicearbeit verkauft, ist bestes Upselling. Denn sie ermöglicht uns, öfters an den Tisch zu kommen, kurze Gespräche zu führen. Die nächste Runde abzufragen, ohne aufdringlich zu sein. 

Le Lion: Kostenloses Wasser, mit Service, “since 2007”. 

Im April dieses Jahres haben wir die Terrasse aufgebaut. An den heißen Tagen konnten wir das Wasser gar nicht schnell genug an die Tische bringen. Ich hab das ein paar Tage beobachtet. Und beschlossen, wir müssen das ändern.

Seit dem servieren wir auf der Terrasse kein kleines Glas Wasser mehr kostenlos. Sondern ein großes. Mit viel Eis. 

Und die Gäste lieben es. Klar, es bedeutet ein Schritt extra. Große Gläser bis oben voll mit Eis füllen. 50, 100 und mehr für die Terrasse an vollen Wochenenden. Kosten nahe null, Aufwand gering, Wirkung: “Wir geben uns Mühe für dich”.

Unsere Gäste feiern es. Was gibt es besser als einen kalten Schluck Wasser an heißen Tagen. Und natürlich gibt es, für die “bitte kein Eis” Gäste, nur eine Antwort: Kein Problem, großes Glas.

Lang gelebte, gute Servicestandards sind wichtig. Sie zu kontrollieren, zu überdenken und zu verbessern ebenfalls.