Zwei Kugeln Eis bitte! #Highballin'
Hoshizaki ist ein japanischer Eismaschinen Hersteller. Ich glaube, es war 2009 oder 2010, als ich das erste Mal für deren europäische Niederlassung auf einer Messe in Amsterdam gearbeitet habe. Zu der Zeit, so etwas weckt quasi das Kind im Bartender, habe ich mich Hoshizakis neuen Spezialitäten Eismaschinen interessiert. Also Sonderformen. Es gab King-Size Eiswürfeln. Größere rechteckige Eisblöcke. Aber auch Maschinen die Eis-Herzen auswarfen. Wurden, glaube ich, in „Etablissements“ eine gefragte Eismaschine.
Basis war immer die IM 65 Unterbau Maschine. Im Ursprung eine Eismaschine, die 62 Kilogramm Tagesleistung für klassische 3+cm Hoshizaki Volleiswürfel hatte. In dieser Maschine konnten sich die Ingenieure ausleben. Durch leichte Modifikationen war unterschiedliche Eis-Formen möglich.
Die Basis-Maschine produziert ca. 62kg Eiswürfel am Tag. Hat aber nur ein Auffangbehälter von ca. 26 kg. Das bedeutet, man macht sie zwei bis dreimal am Tag leeren musste, um volle Kapazität Eiswürfel zu bekommen.
Ein Jahr später stand dann plötzliche eine neue Maschine auf dem Stand. Die IM 65 Kugeleis. Und diese produzierte Kugeleis. 4,5 cm im Durchmesser. 45 Gramm Gewicht, kristallklar. Die Tagesleistung, bei perfekten Installationsbedingungen sind max. 26kg. Da die Kugeln deutlich mehr Volumen als Würfel haben, benötigt die Produktion länger und die Tagesleistung ist bei gleichem Stromverbrauch um mehr als 40% geringer bei Eis-Bällen.
Der Vorratsbehälter hat bei der Ball-Maschine nur 17 kg Fassungsvermögen. Diesen kann man allerdings niemals voll machen über den Tag. Denn Auffangbehälter bei Eismaschinen haben eine Besonderheit: Sie sind immer etwas über null Grad. Damit schmilzt das Eis im Auffangbehälter langsam nach dem Auswurf.
Und die wundervollen, kreisrunden Bälle werden innerhalb wenige Stunden zu unförmigen Eiern. Ein fragwürdiger Produktionsfehler oder Denkfehler, der mir am Anfang nicht auffiel. Denn während der Messe konnte das Gerät gar nicht genug Bälle produziere. Bzw. produziert es unter Maximalbedingungen nur irgendwas um die 500 dieser kleinen Bälle am Tag.
Ich hätte schon bei der Messe skeptisch werden sollen. Ich fragte das Team, was das für eine Maschine sei, und man sagte mir, sie mache Eis-Bälle, in der Größe von Golfbällen. Einer der CEO’s wollte seine Freunde im Golfclub beeindrucken. Und die Ingenieure mussten liefern. Und daher gibt es jetzt diese Maschine. Wofür man das Eis nun benötigen könnte, wisse man auch noch nicht. Ob stimmt, weiß ich nicht.
Ich hatte glücklicherweise hohe Longdrinkgläser am Stand. Türmte drei kristallklare Bälle aufeinander, platzierte die Gläser auf der Showbar, und das Publikum blieb stehen. Ein absoluter Hingucker. 2011 ein Bremser. Ein Wow-Effekt.
Als ich 2012 das Boilerman Bar Konzept entwickelte, Highballs in Deutschland neues Leben einhauchte, und diese wieder sexy machen wollte, war mir klar: Das geht nur mit diesen Bällen.
Also kreierte ich ein Bar-Konzept im Prinzip rund um Eis-Bälle. Ein klassisches Highball Glas, 21 Unzen. Im Durchmesser gerade so, dass die Bälle hineinpassten. Zwei Bälle pro Glas, das Glas hatte damit noch ca. 13 cl Füllmenge. Und wir starten mit kleinen, knackigen und starken Highballs am Eppendorfer Weg.
Und schrieben ein klein wenig Bar-Geschichte und die Geschichte des Highballs neu.
Und ich lernte, dass ich einen Fehler gemacht hatte. Denn die Eismaschine war nicht zu Ende gedacht. Sie produziert wunderschöne Eis-Bälle. Aber diese schmelzen sofort. Statt in einen gefrosteten Auffangbehälter zu gleiten, tickte die Uhr in der Maschine. Aus Bällen wurden in wenigen Stunden abgeschmolzene Eis Eier.
Unsere Boilerman Bar war vom ersten Tag ein Erfolg. Und voll. Und wir brauchten Eis. Ich hatte mit zwei Maschinen geplant. Schnell musste noch eine dazu gekauft werden. Und das war gar nicht so leicht, denn es gab zu der Zeit nur weniger dieser Maschinen. Und von da ab an war Handarbeit gefragt: Jede Stunde mussten die Mitarbeiter in den Keller: "Eis ernten".
Damit die Bälle wunderschöne Kugeln blieben. Sie kamen in spezielle Behälter ins Frosterhaus. Daneben die leeren Gläser. Wenn beides wieder auf -22 Grad gefrostet war, bereiteten wir Gläser mit Eisbällen vor. In der vollen Bar wurden nur noch die Froster mit den vorbereiteten Tabletts mit Glas und zwei Kugeln Eis aufgefüllt. Großer Aufwand. Für perfektes Eis. Weil Hoshizaki eine halb fertige Maschine nicht zu Ende denken wollte.
Die Maschinen wünschten eine gewisse Pflege und Liebe. Und je mehr der Maschinen man in den Keller stellte, desto heißer wurde der Keller. Ein ineffizientes Spiel. Wir mussten schließlich den Keller umbauen und belüften, da zu viel Hitze produziert wurde.
Der Bar-Service am Abend wurde mit der aufwendigen Vorbereitung extrem schnell.
Aber das System und die Bar wurde sehr erfolgreich. Wir starten unser Franchise mit 25hours Hotels und eröffneten Boilerman Bars in Hamburg, München und Copenhagen. Und weitere Highball Konzepte a la Boilerman setzten wir für 25hours um: Cinchona Bar Zürich, Paris Club Düsseldorf.
Bei großen Konzepten musste die Eislogistik hart geplant werden. 5-6 Ball-Maschinen waren Pflicht. Die Hitze, die Logistik und das ständige personalintensive Ernten. Wir kauften dutzende dieser Maschinen für alle Projekt. Wir hatten Feedback-Gespräche mit Hoshizaki, aber es gab keine Verbesserung für das Auffangen System.
Wenn man sich also keine extra Arbeit macht, serviert man Eis-Eier statt Eis-Bälle. Es bricht mir das Herz. Ganz oder gar nicht.
Ganz hat sich als sehr aufwendig herausgestellt. Aber zwei Kugeln Eis-Bälle im Highball Glas wurde unser Markenzeichen. Und es wurde und wird oft kopiert.
Heute habe ich gesehen, die Eis-Ball Maschinen kosten mittlerweile statt ca. 4500 Euro schon 7500 Euro pro Stück. Ohne Änderung des fehlerhaften Systems.
Aus Erfahrungen lernen, viel testen und planen ist wichtig. Gerade für dein Gastronomie-Konzept. Aber wenn es plötzlich losgeht, gehts los.
Und wenn das ganze dann ungeahnten Schwung bekommt, muss man das Beste aus einem fehlerhaften System machen. Hätte ich 2011 nicht gedacht, als die begeisterten Gäste auf der Messe am Stand stehen blieben und ich mir dachte: mit rundem Eis hast du automatische einen Up-Sell.
Bereuen tue ich es nicht. Der Wurm muss dem Fisch schmecken, nicht dem Angler.